Colorado Saga
hören«, antwortete Garrett, und Cisco sah ihn an.
»Ziemlich schwierig für den Anfang.«
»Ich habe nicht gesagt, daß es leicht ist.«
Cisco nahm die Gitarre vom Tisch und spielte die
Akkorde dieses vielleicht schönsten Liebesliedes, das in den vergangenen fünfzig Jahren in Amerika geschrieben worden war. Es war schwer zu singen, weil es voraussetzte, daß der Künstler das Falsett spanischer Prägung beherrschte, aber Cisco hielt es für das beste in seinem mexikanischen Repertoire:
»Welch schöne Augen sie hat Unter den dunklen Brauen...
Unter diesen dunklen Brauen...
Welch sanfte Augen...«
Die anwesenden Mexikaner applaudierten, nachdem er eine Strophe zu Ende gesungen hatte. Er dankte für den Beifall. »Ich singe dieses Lied für meinen guten Freund Paul Garrett und für meine noch bessere Freundin Flor Marquez, die ineinander verliebt sind.« Er griff wieder zu seinem Instrument, spielte einige Variationen über das Thema des Liedes und sang dann mit zärtlicher Stimme die Endstrophe:
»Ich biete dir nur mein Herz...
Ich schenke dir mein Herz...
Nimm es statt meiner Armut...
Sie ist hübsch und bezaubernd,
Gleich der Unschuld einer Rose... «
Mit dem letzten Wort schlug er einen leisen Akkord an und verbeugte sich abermals.
Er sang noch ein paar Stunden lang - der letzte echte Cowboy, der letzte Büffeljäger. »Und das war's für heute«, sagte er, als er zu Ende war. »An eurer Stelle würde ich heiraten«, fügte er leise hinzu und sah Flor und Garrett an. »Zum Teufel mit allen, denen es nicht paßt!«
Am Sonntag bekam ich Garrett nicht zu Gesicht, denn er verbrachte den Tag mit Flor und sprach ernsthaft mit ihr über die Probleme, die sich, wenn sie tatsächlich heirateten, unweigerlich ergeben würden. Er war Mitglied der Episkopalkirche und sie katholisch, aber das beschwerte sie beide nicht. Er hatte zwei Kinder, sie waren in einem schwierigen Alter. Nun, welches Alter ist nicht schwierig, wenn ein Witwer ein zweites Mal heiraten will? Wen immer er wählen mag, die Kinder sind selten einverstanden. Die jungen Garretts hatten bereits unmißverständlich erklärt, daß ihnen die Idee, eine Mexikanerin als Stiefmutter zu bekommen, nicht zusagte. Durch den Tod von Pauls Mutter, Ruth Mercy Garrett, im letzten Februar war der Hauptwiderstand allerdings weggefallen. Sie war eine verkrampfte, ungeliebte Frau gewesen, die immer von der langwährenden Liebesaffäre ihres Mannes mit Flors Großtante Soledad gewußt und aus diesem Grund alle Mexikaner gehaßt hatte. Als sie erfuhr, daß Paul sich für Flor Marquez interessierte - noch dazu eine geschiedene Frau! -, machte sie ihrem Sohn eine schreckliche Szene und warf ihm vor, er versuche, sie in den Tod zu treiben. Sie reagierte so unvernünftig, daß er über die Sache nicht mit ihr sprechen konnte, aber er mußte mit der Möglichkeit rechnen, daß sie tatsächlich einem Herzschlag erlag, wenn er Flor heiratete. »Du bist genau wie dein Vater!« hatte sie gegeifert. »Du treibst es ja nur mit diesem liederlichen mexikanischen Frauenzimmer, um mich zu kränken und zu quälen! So war es auch bei ihm.« Nun war sie tot, und niemand bedauerte ihr Hinscheiden, nicht einmal ihre Enkelkinder, die von ihr immer verzärtelt wurden, sie aber als das erkannten, was sie wirklich war - eine beklagenswerte, sich selbst bemitleidende, sich selbst zerstörende Frau.
Manolo Marquez bildete ein ernstliches Hindernis weil er Ehen zwischen Anglos und Mexikanern wenig Chancen einräumte. Die wenigen, von denen er wußte, hatten ein katastrophales Ende genommen, und er bezweifelte, daß es Paul und Flor besser ergehen würde. Flor nahm seine Einwände nicht auf die leichte Schulter, denn als sie ihre erste Ehe eingegangen war, hatte er ihr vorausgesagt, daß sie keine zwei Monate dauern würde. Die Ehe war nach knapp elf Tagen gescheitert.
»Er ist ein nur auf seine Männlichkeit bedachter Hohlkopf«, hatte Manolo seine Tochter gewarnt. »Du kennst den Typ nicht, weil du dich nie in Spiellokalen herumtreibst.« Keine Beschreibung hatte besser auf ihren jämmerlichen Ehemann gepaßt, einen sich als Helden gebärdenden Prahlhans mit so bizarren Ansichten über die Rechte des Mannes in der Ehe, daß man darüber nicht einmal lachen konnte. Flor schämte sich, daß sie so wenig Menschenkenntnis besessen hatte, und traute nicht so recht ihrer Überzeugung, daß Garrett ein ganz anderer Mensch war.
Doch alle Zweifel schwanden angesichts der Tatsache, daß sie und
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