Colorado Saga
Paul sich liebten, nach einander verlangten und sich wie bessere Menschen vorkamen, wenn sie zusammen waren. Sex mit ihrem ersten Ehemann war ein entsetzliches Erlebnis gewesen, ohne Gefühl und ohne Erfüllung, doch mit Paul Garrett das Bett zu teilen, machte ihr Freude. Er schämte sich nicht, ihr zu gestehen, daß er sie brauchte.
An diesem Sonntag zum Beispiel, im Motel, hatte er ihr gesagt: »Ich bin so einsam, ich kann es kaum ertragen. Ich sitze da auf meinem Schloß, umgeben von Tausenden Morgen leeren Landes, die mich von allem abschließen. Ich würde verrückt werden, wenn ich dich nicht im Restaurant sehen könnte.«
Es war beiden klar, daß sie heiraten sollten. Was hielt sie immer noch davon ab? In Colorado war es einfach nicht üblich, daß ein Anglo eine Mexikanerin heiratete. Eine Indianerin, das ging noch, aber eine Mexikanerin? Niemals!
Den Montag verbrachte Paul ohne Flor. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. Erst abends fuhren wir
nach Denver und suchten dort einen Nachtklub auf, der eine Manachi-Band aus Mexiko importiert hatte. Er machte dem Dirigenten einen Vorschlag, und der sagte: »Warum nicht?« - und die Sache war
abgemacht.
Die Band spielte bis zwei Uhr früh, dann lud Garrett sie zu einem gemeinsamen Essen ein. Dazu tranken sie gutes mexikanisches Bier. Um halb vier bestiegen sie vierzehn Mann hoch, den Bus, den er gemietet hatte.
Es dämmerte schon, als wir Centennial erreichten, und der Fahrer parkte in einer Seitengasse, wo der Bus kein Aufsehen erregen würde. Dann sammelten sich die Manachis beim Bahnhof. »In Mexiko war es nie so kalt«, beklagte sich der Dirigent bei Garrett. »Wenn Sie erst zu spielen anfangen, wird Ihnen schon warm werden«, versicherte ihm Paul.
Bis jetzt hatte niemand in der Stadt die Band bemerkt, doch nun gab der Dirigent ein Zeichen, und die Musik explodierte förmlich, als die Mexikaner »La Cucaracha« anstimmten, das Lied von der armen kleinen Küchenschabe, die nicht mehr laufen konnte, weil sie kein Marihuana mehr zum Rauchen hatte.
Überall gingen die Lichter an, als die Manachis die Prairie Road hinaufmarschierten und dann in die Mountain Road einbogen, wo sie das ohrenzerreißende »La Bamba« und dann »La Negra« spielten. Als sie die Third Street erreichten, kamen uns zwei Polizisten nachgelaufen.
»Alles in Ordnung«, beruhigte sie Garrett. »Kommen Sie mit und hören Sie zu.«
Die Manachis waren beim »Flor de Mejico« angelangt, formten unter Garretts Anleitung einen großen Halbkreis und stimmten das Geburtstagslied »Las Mafianitas« an. Im Obergeschoß ging ein Licht an, und Flor Marquez erschien am Fenster.
»Was ist denn hier los?« wollte ein Reporter vom »Clarion« wissen, denn mittlerweile hatten die lärmenden Musikanten die halbe Stadt aus dem Schlaf gerissen.
»Ich bringe dem Mädchen, das ich heiraten werde, ein Ständchen«, antwortete Garrett.
»Ist das offiziell?« fragte der Zeitungsmann aufgeregt.
»Fragen Sie sie.«
Der Zeitungsmann stellte sich unter das Fenster und rief hinauf: »Kann ich schreiben, daß Sie Mr. Garrett heiraten werden?« Flor hatte Tränen in den Augen, denn es geschieht nicht oft, daß ein vierzehn Mann starkes Orchester einem Mädchen ein Ständchen bringt, aber sie antwortete in der entzückend widersprüchlichen Art der Mexikaner: »Si, como no?«
Donnerstag, den 15. November, traf Garrett am Vormittag mit einigen Viehzüchtern aus dem nordöstlichen Teil des Staates zusammen, die mit ihm über Fragen der Bewirtschaftung sprechen wollten. Nachdem das Gespräch beendet war, kamen ihm die bedauerlichen Auseinandersetzungen über die Schafzucht in den Sinn, die zu Beginn des Jahrhunderts so viel Unfrieden gestiftet hatten. Es hatte viele Menschenleben gekostet, die Theorie zu verteidigen, wonach keine Kuh weiden würde, wo ein Schaf graste. Heute zogen die meisten Züchter auf dem Land, das früher einmal zur Venneford-Ranch gehört hatte, Rinder und Schafe nebeneinander heran, und beide gediehen prächtig.
Hermann Spengler zum Beispiel. Sein Großvater Otto hatte 1889 einen Schafzüchter erschossen, und es fand sich im ganzen Bezirk kein Geschworenengericht, das ihn verurteilt hatte. Nicht verwunderlich, wo in der Öffentlichkeit die Meinung vorherrschte, Tod durch Erschießen wäre zu gut für einen Mann, der Schafe auf eine offene Weideflache brachte. Heute hatte Spengler siebenhundert Herefords und zweitausend Schafe. Sie weideten auf den gleichen Wiesen und ergänzten
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