Colorado Saga
seine Freunde, er solle sich aber vor den Cheyenne und den Arapaho hüten, Pferdediebe der schlimmsten Art, vor allem aber vor den Ute, diesen Barbaren.
Die Unterhaltung wurde am zweiten Tag fortgesetzt, und diesmal erkundigte sich Wildes Wasser, warum sich Pasquinel in die Prärie wage, ohne seine Frau mitzunehmen, worauf der Franzose antwortete: »Ich habe eine Frau... oben im Norden. Sie ist zu schwach, um das Kanu zu paddeln.« Dafür hatte der Häuptling Verständnis.
Am folgenden Tag bestand Wildes Wasser immer noch auf seiner Rolle als Gastgeber und erklärte dem Besucher, dieser könne auf keinen Fall mit seinem Kanu den Platte hinauf - viel zuviel Schlamm, viel zuwenig Wasser. Pasquinel meinte, er wolle es wenigstens versuchen. Wildes Wasser erfand jedoch immer neue Hindernisse. Als Pasquinel endlich sein Kanu doch zu Wasser gebracht hatte, kam das gesamte Dorf ans Ufer, um sich von ihm zu verabschieden. »Wenn du dahin kommst, wo zwei Flüsse zusammenlaufen, nimm den südlichen«, sagte Wildes Wasser. »Viele Biber.« Der Abschied verlief so freundschaftlich, daß Pasquinel auf das Schlimmste vorbereitet war.
Den ganzen Tag paddelte er stromauf und hatte dabei immer wieder das Gefühl, verfolgt zu werden. Bei Sonnenuntergang schlug er sein Zelt am Ufer auf und legte sich demonstrativ schlafen. Als es jedoch dunkel geworden war, schlich er wieder zu seinem Kanu zurück und versteckte sich darin. Er wartete, bis tastende Hände beinahe die seinen berührten.
Da sprang er unter wildem Gebrüll und Messerschwingen vom Kanuboden auf, warf sich auf die vier Angreifer, stieß, schlug und trat auf sie ein. Es war eine Einmannexplosion und wirkte durch die Dunkelheit doppelt gefährlich. Alle vier flohen, so daß er am Morgen die Fahrt stromaufwärts fortsetzen konnte.
Er war ungefähr fünfzig Meilen weit westwärts gekommen, als er merkte, daß er schon wieder verfolgt wurde. Pawnee, dachte er. Dieselben Männer. Also legte er wieder seine Bleikugeln zurecht und schärfte sorgfältig seine Messer. Wenn er sie noch einmal zurückschlagen konnte, würden sie ihn in Ruhe lassen, dachte er. Er bewegte sich mit größter
Vorsicht, mied Schlammbänke und hielt sich vom Ufer fern. Auch wenn er sich hinkniete, um zu trinken, oder anhielt, um seine Notdurft zu verrichten, ließ seine Wachsamkeit keine Sekunde nach. Es war ein häßliches, mühseliges Spiel, bei dem die Pawnee eindeutig im Vorteil waren.
Die Entscheidung kam im Morgengrauen. Er hatte irgendwo am Südufer in seinem Kanu geschlafen und beugte sich über Bord, um das Paddel aufzunehmen, als ihn ein Pawnee-Pfeil mitten in den Rücken traf. Ein furchtbarer Schmerz lief sein Rückgrat entlang: Der schlanke Pfeil hatte einen Nerv getroffen. Wäre nicht die Gefahr gewesen, er wäre mit Sicherheit ohnmächtig geworden.
Seine Wunde ignorierend, griff er nach seinem Gewehr, hob es, zielte und erschoß einen der Krieger. Ruhig reinigte er den Lauf, schüttete sein Pulver hinein, stieß es fest, führte die Kugel ein, stieß sie ebenfalls fest, zielte und tötete einen zweiten. Methodisch lud er wieder, während ihm das Blut über den Rücken strömte, aber ein dritter Schuß war nicht mehr vonnöten, denn die Indianer hatten erkannt, daß dieser zähe, kleine Fremde einen mächtigen Zauber besaß.
Diesen endlosen Wintertag, als die niedrig stehende Sonne auf sein Kanu herabbrannte, sollte Pasquinel sein Leben lang nicht vergessen. Blind mit der Hand auf dem Rücken umhertastend, zerrte er kraftlos an dem Pfeil, aber die Widerhaken an der Spitze hatten sich im Knochen verhakt und ließen sich nicht von der Stelle bewegen.
Er versuchte, den Schaft zu drehen, aber die Schmerzen waren zu groß. Er versuchte, ihn tiefer hineinzutreiben, um an dem störenden Knochen vorbeizukommen, verursachte damit aber einen so qualvollen Schmerz, daß er fürchtete, das Bewußtsein zu verlieren. Es gab keine andere Lösung, als den Pfeil in seinem Rücken zu lassen. Und das tat er.
Zwei Tage lang lag er, von schrecklichen Schmerzen gequält, auf dem Bauch in seinem Kanu, während der Pfeilschaft senkrecht nach oben stand. In Abständen richtete er sich auf und versuchte das Kanu weiter stromaufwärts zu paddeln, und mit jedem Paddelschlag entfernte er sich weiter von den Pawnee. Am dritten Tag, als er ganz sicher sein konnte, daß der Pfeil nicht vergiftet war und sich die Spitze zwischen seinen Nervenenden und Muskeln abzukapseln begann, fiel ihm das Paddeln nicht mehr so
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