Colours of Love - Entblößt: Roman (German Edition)
Mithörer, und wenn ich seine Miene richtig deute, dann könnte erneut Sarah die Anruferin sein.
Also fahre ich allein ganz nach oben, wo Jonathan und Alexander ihre Büros haben. Catherine Shepard, die schöne schwarzhaarige Sekretärin, sieht mir von ihrem Schreibtisch im Foyer aus entgegen. Ihr Lächeln wirkt maskenhaft und aufgesetzt, und der Ausdruck in ihren Augen ist kalt.
Ich bin noch nicht dahinter gekommen, ob sie mich nicht leiden kann, weil sie auch zu den Jonathan-Fans gehört, oder ob es ihr nur einfach nicht passt, dass er mich sozusagen an ihr vorbei zu seiner Assistentin gemacht hat. Wahrscheinlich ist es eine Mischung aus beidem. Auf jedem Fall schafft sie es, mich nur durch ihren Blick zu verunsichern und das Hochgefühl zu verscheuchen, das mich nach oben begleitet hat.
»Na, wie ist es gelaufen?«, fragt sie mich auf eine plump freundschaftliche Weise, aber ich bin fast sicher, dass in ihrer Stimme ein gewisser Hohn mitschwingt.
»Gut soweit«, gebe ich knapp zurück. »Wenn Mr Norton kommt, sagen Sie ihm bitte, dass ich auf ihn warte.« Ohne sie weiter zu beachten, gehe ich an ihr vorbei in mein Büro, das direkt neben Jonathans liegt.
Der Raum ist ähnlich eingerichtet wie Jonathans, hell und mit schlichten Designermöbeln, aber er ist deutlich kleiner. Genau wie fast alle anderen Räume hat es eine verglaste Außenwand, durch die man – zumindest von hier ganz oben – einen tollen Ausblick auf die Skyline von London hat. Um genau den zu genießen, trete ich an die Glasfront und sehe hinaus auf die Stadt.
Ein Seufzen entfährt mir, bevor ich es zurückhalten kann. Einerseits bin ich sehr froh, dass das Meeting vorbei ist und alles soweit gut geklappt hat – von Frank Howards ständigen Nachfragen mal abgesehen –, andererseits ist es auch ein absolut erhebendes Gefühl, hier zu stehen und zu wissen, dass ich es wirklich geschafft habe. Es war anstrengend – aber es hat mir auch gezeigt, dass das, was ich hier ausprobieren darf, etwas ist, was mir wirklich Spaß macht. Genau das möchte ich machen: Projekte wie das Bauvorhaben in Hackney betreuen und sehen, wie Teile ineinandergreifen, wie Rechnungen aufgehen und am Ende etwas Neues entsteht, etwas, zu dem man einen entscheidenden Beitrag geleistet hat …
Ein Klopfen an der Tür reißt mich aus meinen Gedanken, und ich gehe davon aus, dass es Alexander ist, als ich »Herein«, rufe. Doch als ich mich umdrehe, steckt meine Freundin Annie ihren Kopf durch die Tür.
Sie hat ein buntes Vintagekleid an, das sich eigentlich gar nicht für die Arbeit eignet, doch mit den hohen schwarzen Stiefeln geht es als Büro-Outfit durch, zumindest bei Annie. Wie sie das macht, weiß ich nicht, aber sie hat ihren ganz eigenen Stil, um den ich sie heiß beneide.
»Darf ich reinkommen?«
»Blöde Frage, natürlich«, sage ich ungehalten, weil sie so ungewohnt zaghaft klingt, und laufe ihr entgegen, umarme sie fest.
»Was machst du hier?« Eigentlich arbeitet Annie unten in der Investmentabteilung, wo ich ganz zu Anfang ebenfalls war, und ist nur selten hier oben.
Sie grinst, und ihre Augen funkeln. »Offiziell oder inoffiziell?«
»Es gibt zwei Versionen?«, frage ich amüsiert.
»Na klar. Offiziell bringe ich dir diese wichtigen Papiere hier«, sagt sie und deutet auf die Mappe in ihrer Hand. »Hatte ich mir als Ausrede überlegt, damit ich an dem Eisdrachen da draußen vorbeikomme.« Die Beschreibung passt so gut zu Catherine Shepard, dass ich grinsen muss. »Denn eigentlich wollte ich nur mal kurz vorbeischauen, weil ich gehört habe, dass du im Haus bist. Man kriegt dich ja sonst kaum noch zu Gesicht.«
Es klingt ein kleines bisschen vorwurfsvoll, und ich muss mir mit schlechtem Gewissen eingestehen, dass es stimmt. Seitdem das Pressefoto erschienen ist, dass Jonathan dazu veranlasst hat, öffentlich zu seiner Affäre mit mir zu stehen, wohne ich quasi bei ihm und bin fast gar nicht mehr bei Annie und den anderen in der WG in Islington gewesen, wo ich immer noch ein Zimmer habe.
»Wo ist denn der große Boss eigentlich?«, will Annie wissen. »Es heißt, er ist heute gar nicht da?«
»Nein, ist er nicht«, antworte ich wahrheitsgemäß und überlege kurz, ob ich ihr von dem Vorfall gestern Abend und der Tatsache, dass Jonathan bereit ist, einen Schritt weiter zu gehen, erzählen soll. Doch ich entscheide mich dagegen. Annie ist mir zwar in der kurzen Zeit, die wir uns kennen, zu einer wirklich guten Freundin geworden, aber sie hat meiner
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