Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
aus, die noch auf den Durchbruch warten. Die meisten übrigens – zu Recht – vergebens.«
Das mag alles stimmen. Trotzdem habe ich das Bedürfnis, Lorenzo Santarelli zu verteidigen. Oder vielleicht ist es auch so etwas wie ein Automatismus, gegen den ich nichts tun kann – ich muss Matteo Bertani einfach widersprechen. Das ist reiner Selbstschutz, weil er diese heftige körperliche Wirkung auf mich hat. Da kann ich es mir definitiv nicht auch noch leisten, mein Denken seinem anzupassen.
»Was spricht dagegen, jungen Künstlern eine Chance zu geben? Und außerdem können manche mit alten Meistern eben nichts anfangen und lieben eher die moderne Kunst. Daran ist doch nichts auszusetzen.«
Der Ausdruck in Matteo Bertanis Augen wechselt wieder, von verärgert zu belustigt. Einfach so, was mich ein bisschen verzweifeln lässt. Dieser Mann ist eine verdammte Achterbahn.
»Dass Sie so streitbar sind, sieht man Ihnen auf den ersten Blick gar nicht an«, sagt er, und ich kann mich nicht entscheiden, ob das ein Kompliment war oder noch eine versteckte Beleidigung.
Im Übrigen stimmt es auch nicht, normalerweise bin ich die Friedfertigkeit in Person, und es dauert lange, bis man mich aus der Reserve lockt. Die Tatsache, dass dieser Mann dafür immer nur einen kurzen Moment braucht, verwirrt mich deswegen ziemlich.
»Ich streite mich nicht mit Ihnen«, sage ich möglichst würdevoll und recke das Kinn. »Ich sehe das nur ein bisschen … anders.«
An seinem Lächeln ändert meine Bemerkung nichts, und ich hasse ihn dafür, dass er mich schon wieder so aus dem Konzept bringt.
»Weshalb wollten Sie mich denn nun sprechen?«, hake ich nach, um die Begegnung mit ihm abzukürzen.
Er beugt sich vor und stützt sich mit den Unterarmen auf dem Tisch ab, wodurch wir auf einmal auf Augenhöhe sind. »Können Sie sich das nicht denken?«
Nein, denke ich, während ich in seine Bernstein-Augen blicke. Keine Ahnung. Ich bin sonst ziemlich gut darin, Leute richtig einzuschätzen – aber bei Matteo Bertani funktioniert das leider gar nicht.
»Verraten Sie es mir.«
»Nun, ich möchte unseren kleinen ›Fehlstart‹ wieder gutmachen«, sagt er. »Wie es aussieht, werden wir in der nächsten Zeit viel miteinander zu tun haben, deshalb denke ich, dass wir uns näher kennenlernen sollten. Bei einem Essen, zum Beispiel?«
Sein Lächeln ist extrem einnehmend, aber noch halte ich stand.
»Wir werden in nächster Zeit viel miteinander zu tun haben?«, erwidere ich. »Noch hat unser Auktionshaus den Auftrag von Signore di Chessa doch gar nicht bekommen.«
Dieses Argument lässt er nicht gelten. »Ich denke, wir wissen beide, dass Sie ihn kriegen werden.«
Ich runzle die Stirn, nicht sicher, was ich darauf sagen soll. Nach allem, was ich über seine enge Verbindung zu Giacomo di Chessa erfahren habe, wäre es vielleicht wirklich eine gute Idee, mein Verhältnis zu ihm ein bisschen zu verbessern. Andererseits weiß ich nicht, ob mir das, was er da vorbringt, als Entschuldigung reicht. Genauso wenig wie ich weiß, ob ich es mir leisten kann, diesen Mann näher kennenzulernen. Es ist jetzt schon schwierig genug, mich durch das Chaos an Gefühlen zu arbeiten, das er in mir auslöst.
Um noch ein bisschen Zeit zu gewinnen, nehme ich mir ein gefülltes Involtini vom Teller und schiebe es mir in den Mund. Ein großer Fehler, wie ich sofort feststelle. Das Fleisch ist zwar dünn und gerollt, aber insgesamt viel sperriger, als ich dachte, sodass ich viel kauen muss, was vermutlich wenig damenhaft aussieht. Peinlich berührt halte ich mir die Hand vor den Mund und wende mich aus lauter Verzweiflung ab, um das nächstliegende Kunstwerk an der Wand zu betrachten – ein Gemälde, das die Heilige Familie zeigt.
Sofort springt der professionelle Teil meines Gehirns an und analysiert es. Italien, wahrscheinlich 16. Jahrhundert. Vom Motiv und der Art der Darstellung her könnte es von Raffael sein, dem berühmten Renaissance-Maler. Das wäre ja …
»Schönes Bild, nicht wahr?« Matteo Bertani hat mein Interesse offensichtlich bemerkt.
Ich schlucke hastig den Bissen herunter, was gar nicht so leicht ist.
»Gehört das auch Ihnen?«, frage ich mit einem ironischen Unterton in der Stimme, als ich wieder sprechen kann.
Er lacht. »Nein. Und den Severn habe ich wirklich aus sentimentalen Gründen gekauft, nicht, um ihn Ihnen wegzuschnappen«, sagt er, und verwirrt mich noch weiter, weil ich langsam überhaupt nicht mehr weiß, was ich glauben
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