Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
…
»Sophie!« Ich fahre herum, als mich jemand anspricht.
Es ist Andrew. »Das sieht ja lecker aus. Ich bin noch gar nicht zum Essen gekommen. Darf ich?«
Ich halte ihm den Teller hin, und er stibitzt sich eine Zucchini-Blüte, isst sie genüsslich. Die hätte ich vorhin auch besser genommen, denke ich zerknirscht und probiere ebenfalls davon, weil ich merke, wie der Hunger zurückkehrt, den ich vor Schreck ganz verdrängt hatte.
»Ihr habt den Auftrag übrigens!«, verkündet Andrew mir strahlend, sobald er mit Kauen fertig ist.
»Wirklich?« Ich kann es gar nicht fassen. »Signore di Chessa hat das so schnell entschieden?«
Andrew nimmt sich ein Hackbällchen. »Ich habe dir doch gesagt, wie gut ihr zusammenpasst. Du sollst morgen früh noch mal wiederkommen, um die Details mit ihm zu besprechen, und dann kann es direkt losgehen.«
»Oh, wie wunderbar!« Ich freue mich wirklich, doch dann fällt mir wieder etwas ein. »Sag mal – was genau hast du vorhin eigentlich gemeint? Wieso könnte dieser Auftrag schwierig sein?«
Andrew seufzt tief. »Schwierig vielleicht nicht. Du wirst nur viel Geduld brauchen.«
Irritiert sehe ich ihn an. »Inwiefern?«
Er zuckt mit den Schultern. »Giacomo will diese Auktion, aber er hat noch nicht entschieden, von welchen Kunstwerken er sich tatsächlich trennen kann. Da wird sicher noch Überzeugungsarbeit nötig sein. Und dann ist da noch …« Er zögert, spricht nicht weiter.
»Das Problem mit Matteo Bertani?«, beende ich den Satz für ihn und merke an seinem Gesichtsausdruck, dass ich den Kern getroffen habe.
»Genau.« Andrew seufzt. »Er versucht Giacomo davon zu überzeugen, die ganze Sache abzublasen. Ich denke nicht, dass er Erfolg damit haben wird, aber es fördert auch nicht unbedingt Giacomos Entschlossenheit. Was in der Summe wohl bedeutet …« Wieder bricht er den Satz ab.
»Was?«, frage ich ungeduldig. »Was bedeutet es?«
»Dass du nicht sofort wieder nach London zurückkannst«, erwidert er. »Du wirst dich auf einen längeren Aufenthalt in Rom einstellen müssen, Sophie – ich fürchte, das bedeutet es.«
5
»Mach dir keine Sorgen, Sophie. Du kannst ruhig noch bleiben.« Die Stimme meines Vaters hat keinen versteckten Unterton, sondern klingt ehrlich überzeugt. Aber ich kenne die Situation zu Hause gut genug, um zu wissen, dass ich mir doch Sorgen machen muss.
»Ich kann den Auftrag immer noch ablehnen – noch ist es dafür nicht zu spät«, versichere ich ihm erneut. »So lange kann ich unmöglich weg sein. Das geht nicht.«
»Aber du arbeitest doch schon seit Monaten darauf hin, dass wir in Italien Fuß fassen! Es ist ein wichtiger Schritt für uns, da waren wir uns einig. Und lukrativ ist es auch, wenn die Sammlung so erstklassig ist, wie du sagst. Das musst du machen. Und … vielleicht kannst du es ja ein bisschen beschleunigen?« In seiner Frage schwingt jetzt Hoffnung mit.
Ich trete mit dem Handy am Ohr auf den kleinen Balkon hinaus, der an mein Zimmer angrenzt. Der Himmel über Rom ist strahlend blau und wolkenlos, wie er es schon in den vergangenen Tagen war, und ich schließe die Augen und strecke mein Gesicht der Sonne entgegen, genieße die Wärme auf der Haut. Aber das macht mein schlechtes Gewissen meinem Vater gegenüber, der jetzt in London allein mit allem fertig werden muss, nur schlimmer, deshalb öffne ich sie wieder und sehe nach unten auf die Straße.
»Nein, beschleunigen kann ich es nicht, Dad. Das hatte ich zuerst gehofft, aber Andrew hatte recht. Es wird dauern, bis ich alles gesichtet habe – viel länger, als wir dachten.« Mit einem Seufzen lasse ich mich auf den filigranen, weiß lackierten Eisenstuhl sinken, der auf dem Balkon steht, und denke an meinen Auftraggeber.
Giacomo – ich darf ihn jetzt beim Vornamen nennen – hat darauf bestanden, bei der Katalogisierung seiner Sammlung dabei zu sein, um zu entscheiden, von was er sich wirklich trennen kann und von was nicht. Da er jedoch aufgrund seines allgemein geschwächten Gesundheitszustands – er leidet unter Anämie – im Moment viel ruhen muss, kann ich immer nur ein paar Stunden, meist an den Vormittagen, damit verbringen, die Sachen mit ihm zu sichten. Und in dieser kurzen Zeit kommen wir nie besonders weit, weil er mir zu jedem einzelnen Stück erzählt, wie und wo er es gefunden hat und was er für Erinnerungen damit verbindet.
Das ist grundsätzlich wichtig – je genauer und lückenloser man die Geschichte eines Kunstwerkes nachvollziehen
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