Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
kann, desto unwahrscheinlicher ist es, dass es sich um eine Fälschung handelt. Aber es hält natürlich auf, deshalb müsste ich Giacomo bitten, das alles ein bisschen abzukürzen. Das bringe ich jedoch nicht übers Herz, weil ich spüre, dass er mir davon berichten muss. Es ist seine Form des Abschieds.
Und außerdem höre ich diese Geschichten sehr gern. Sie handeln fast alle von seiner Frau, die mit ihm die Sammlung aufgebaut hat. Die liebevolle Art, wie er von ihr erzählt, rührt mich sehr. Die beiden müssen eine wirklich glückliche Ehe geführt haben, und deshalb verstehe ich Giacomos Zerrissenheit. Er möchte zu seiner Tochter ziehen und er weiß, dass er dafür einen Teil seines bisherigen Lebens zurücklassen muss. Aber es macht ihn traurig, deshalb ist sein Reflex bei fast jedem Werk, das wir betrachten, im ersten Moment, dass er es behalten will.
»Das kann ich nicht verkaufen«, sagt er dann zu mir und sieht mich auf diese verzweifelte Weise an, die mir manchmal das Herz zerreißt. Anschließend, wenn er mit seinem Bericht darüber, wie das Bild zu ihm kam, fertig ist, geht es fast immer wieder, und er lässt es mich katalogisieren und für den Transport nach England vorbereiten. Aber wenn es in diesem Tempo weitergeht, ist ein Ende nicht abzusehen. Dann wird es noch eine Weile dauern, ehe alle Wände und Vitrinen in der Villa leer sind, zumal er – wie er mir heute erst erzählt hat – außerdem eine rund zweihundert Blatt umfassende Sammlung mit Zeichnungen besitzt.
Und genau deswegen habe ich plötzlich Bedenken. Eigentlich sollte ich nur ein paar Tage in Rom bleiben, doch die sind jetzt um, und es ist noch überhaupt nicht klar, wann ich wieder in London sein werde. Es kann, wenn das alles so weitergeht, tatsächlich noch Wochen in Anspruch nehmen, und das ist ein Problem. Andererseits haben wir auch eins, wenn ich den Auftrag jetzt aufgebe. Und dieser Meinung scheint mein Vater immer noch zu sein.
»Dann nicht, Sophie. Dann bleibst du eben noch. Das ist in Ordnung.«
»Aber wie soll denn das gehen?« Sonst ist es schon schwierig, wenn ich eine Woche nicht da bin – aber das haben wir bis jetzt immer irgendwie hingekriegt. So eine langfristige Abwesenheit ist in unserer Planung jedoch nicht vorgesehen.
Dad scheint hingegen fest entschlossen.
»Es wird gehen«, versichert er mir noch mal. »Nigel hat mir eine Aushilfe besorgt, einen Studenten, Simon Boswell. Er hat heute angefangen und macht sich sehr gut. Er wird mir zusammen mit Albert und Mrs Davis bei der Contemporary-Auktion am Wochenende helfen.« Er seufzt. »Er kann dich natürlich nicht ersetzen, aber ein paar Hände mehr helfen schon. Wenn Simon sich bewährt, frage ich ihn, ob er noch ein bisschen bleiben kann, und falls das immer noch nicht reicht, dann findet Nigel sicher jemanden, der zusätzlich einspringen kann.«
Nigel, denke ich erschrocken, weil mir plötzlich siedend heiß einfällt, dass ich ihn noch anrufen muss. Ich hatte versprochen mich zu melden, und er wartet sicher schon drauf. Dann kann ich mich auch gleich bedanken dafür, dass er sich erneut so für mich und meinen Vater einsetzt.
»Und was ist mit Mum?«, frage ich vorsichtig. Denn das ist das eigentliche Problem, nicht die Arbeit.
»Unverändert.« Dad seufzt tief, und ich spüre hilflosen Zorn in mir aufsteigen – auf diese Situation, auf die ich keinen Einfluss habe und der ich dennoch mein ganzes Leben unterordnen muss. Aber ich unterdrücke dieses unnütze Gefühl genauso schnell, wie es gekommen ist. Mum ist krank, sie kann nichts dafür, dass es so schwierig ist mit ihr, und ich liebe sie, könnte sie trotz allem niemals im Stich lassen. Es ist nicht ihre Schuld, dass sie unsere Kräfte so bindet, aber es ist einfach manchmal schwer zu ertragen.
»Nimmt sie wenigstens ihre Medikamente?«
»Nein, die verweigert sie immer noch.« Er klingt niedergeschlagen. »Du weißt doch, wie es im Moment ist.«
Ja, das weiß ich. Nur, dass es nicht nur im Moment so ist, sondern eigentlich schon mein ganzes Leben lang.
Meine Mutter ist krank. Bipolare Störung nennt man das in der Fachsprache. Darunter leidet sie schon, seit ich denken kann. Bis das diagnostiziert wurde, hielten viele sie einfach für schwierig oder launisch, und manchmal, wenn sie, wie im Moment, Phasen hat, in denen sie sich nichts sagen lassen will und sämtliche Therapien verweigert, empfinde ich sie auch heute noch so. Dabei weiß ich, dass das alles zu ihrem Krankheitsbild gehört, dass
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