Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
London kommt und das Gemälde untersucht, ja? Gegen eine angemessene Entschädigung, versteht sich.«
»Nach London?«, frage ich überrascht. Normalerweise wird in solchen Fällen das Bild zum Experten geschickt und nicht umgekehrt – es sei denn, das ist aus Transportgründen unmöglich.
»Das ist noch so eine Sache«, erklärt mir Dad. »Leider erstreckt sich die Exzentrik der Lindenburghs auch auf die Art ihrer Versicherungspolicen. Das Gemälde ist auf dem Weg nach England, darf das Land aber bis zum Verkauf nicht mehr verlassen. Bertani muss also herkommen und es sich ansehen. Du kannst ihn zumindest fragen, Sophie. Du kennst ihn doch.«
Entnervt stoße ich die Luft wieder aus, die ich angehalten hatte. »Ich kenne ihn nicht, Dad. Ich habe ihn nur ein einziges Mal zufällig getroffen. Und ich habe dir doch erzählt …«
»Dass er unmöglich war, ja. Aber es ist schließlich nichts Persönliches, Schatz, sondern eine rein geschäftliche Anfrage. Das Bild war sehr lange in Privatbesitz und ist deshalb kaum dokumentiert. Es könnte also gut sein, dass er Interesse daran hat, es sich genauer anzusehen.«
»Das geht nicht«, versuche ich noch mal zu protestieren. »Nicht ausgerechnet Matteo Bertani.«
Mein Stolz weigert sich, das auch nur in Erwägung zu ziehen. Für mich ist der attraktive Kunstprofessor seit dem Empfang nämlich so etwas wie mein Gegenspieler. Ich bin ihm danach nicht mehr persönlich begegnet, aber ich weiß, dass er Giacomo oft besucht. Keine Ahnung, was die beiden Männer dann besprechen, aber ich wette, es geht sehr häufig um Giacomos Umzugspläne. Was die ganze Sache nicht beschleunigt. Und außerdem habe ich ihn beim letzten Mal abblitzen lassen – und jetzt soll ich wieder hingehen und ausgerechnet ihn um einen Gefallen bitten?
»Gibt es denn niemand anderen, den wir fragen können? Er kann doch nicht der einzige Experte sein.«
»Er ist nicht der einzige, nein – aber er ist der Beste. Und du bist gerade in Rom und kannst ihn fragen.« Als ich nichts sage, wird seine Stimme drängender. »Komm schon, Sophie. Ich biete nicht gerne ein Bild an, dessen Herkunft nicht hundertprozentig geklärt ist.«
Ich zögere. Lange. Doch mein Vater weiß sehr gut, dass der Ruf unseres Hauses ein schlagendes Argument ist, dem ich mich nicht entziehen kann. Dann muss ich eben in den sauren Apfel beißen.
»Also gut, ich frage ihn.«
»Großartig.« Dad ist hörbar zufrieden, offenbar entschädigt ihn diese Zustimmung für die zusätzliche Arbeit, die ich ihm durch meine Abwesenheit mache. »Du meldest dich, wenn du mehr weißt, ja? Ich muss jetzt los, Jane zu Hause ablösen.«
Als wir uns verabschiedet und aufgelegt haben, stehe ich auf und stütze mich auf die Balkonbrüstung, blicke wieder hinunter auf die Via delle Quattro Fontane, an der das Hotel »Fortuna« liegt. Von hier ist es nicht weit bis zur Via Nazionale, einer der Hauptstraßen im Zentrum. Der Verkehr fließt jetzt, am Nachmittag, zäh durch die enge, zugeparkte Straße, und das Hupen und Brummen der Motoren hallt von den hohen Häuserfassaden wider bis zu mir in den vierten Stock hinauf.
Laut ist es allerdings zu fast jeder Tageszeit – lauter als in London. Zumindest kommt es mir so vor. Ruhiger wird es nicht mal nachts, auch dann pulsiert das Leben in Rom, aber das stört mich nicht. Im Gegenteil. Genau das ist es, was ich an dieser Stadt so liebe. Es ist, als wäre man in einem ganz anderen, viel lebendigeren Kosmos.
Einem Kosmos, in dem ich noch länger bleiben darf – eine unerwartete Freude. Wenn da nicht die Tatsache wäre, dass ich Matteo Bertani nun doch noch einmal begegnen muss. Ich atme tief durch.
Dass ausgerechnet er der absolute Fachmann für Enzo di Montagna ist und uns gerade jetzt ein Bild von diesem Maler angeboten wird, dem die Expertise fehlt, ist ein ziemlicher Tiefschlag. Hätte es nicht der nette Lorenzo Santarelli sein können? Oder irgendjemand sonst?
Wenn ich mich wenigstens nicht so mit ihm angelegt hätte, dann wäre es vielleicht leichter. Aber so wird das ein echter Gang nach Canossa, und ich stöhne bei dem Gedanken, wie er wohl reagieren wird.
Das Läuten des hauseigenen Telefons auf dem Nachtisch neben dem Bett lässt mich zurück in das hübsch eingerichtete Zimmer treten. Die weiß lackierten Möbel und die helle Tapete mit dem zarten Blütenmuster geben dem Raum etwas Frisches, sehr Individuelles, und lassen vergessen, dass er nicht besonders groß ist. Aber er bietet mit dem
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