Colours of Love - Verloren: Roman (German Edition)
Kuss alles durcheinander, was ich bisher über die sexuelle Anziehung zwischen Männern und Frauen angenommen habe. Ich war der Überzeugung, dass ich über solchen Dingen stehe und meine Gefühle kontrollieren kann. Und nun verliere ich diese Kontrolle ausgerechnet hier, in Rom, hunderte Kilometer entfernt von zu Hause, bei einem Mann, der trotz seiner Lippenbekenntnisse – allein der Gedanke an sein raues »Ich will dich« löst immer noch einen lustvollen Schauer in mir aus – offenbar nicht mal Interesse daran hat, mich wiederzusehen.
Und anstatt froh darüber zu sein und die Begegnung mit ihm abzuhaken, hoffe ich schon seit über zwei Stunden – »gegen Mittag« hatte er gesagt, was alles sein kann zwischen elf und ein Uhr, oder? – nervös darauf, dass er kommt. Und das tue ich nicht wegen der Expertise. Ich habe nicht vergessen, dass sie der Grund war, warum ich mich überhaupt noch einmal mit Matteo getroffen habe. Aber sie ist nicht der Grund dafür, warum ich jedes Mal, wenn es an der Tür schellt – was schon zwei Mal passiert ist – zusammenzucke und mit wild klopfendem Herzen darauf warte, wen Rosa zu uns heraufführt. Es war jedoch einmal nur die Post und das andere Mal der Makler, der sich um den Verkauf der Villa kümmern soll. Von Matteo dagegen keine Spur, und auch Giacomo hat ihn bis jetzt mit keinem Wort erwähnt.
Wahrscheinlich war das Ganze nur ein Spiel, denke ich und spüre, wie sich die Enttäuschung, die mich schon seit einiger Zeit quält, weiter in mir ausbreitet. Natürlich war es das – er wollte nur ausprobieren, ob ich bei ihm schwach werde. Das macht er bestimmt mit allen Frauen so. Aber es ändert nichts an dem beklommenen Gefühl in meinem Magen – und der Verwirrung, in die er mich mit diesem Kuss gestürzt hat.
Dieser Mistkerl! Ich habe nicht mal eine Ahnung, ob unser merkwürdiger Deal noch gilt oder ob die Tatsache, dass er nicht da ist, heißt, dass er die Expertise nicht machen wird. Und das ärgert mich. Was soll ich jetzt meinem Vater sagen? Wenn ich wenigstens …
»Sophie?« Giacomo sieht mich über den Rand seiner Kaffeetasse an, und ich stelle fest, dass ich meine auch schon in der Hand halte, aber immer noch nicht auf seine Frage geantwortet habe. Was seinen Blick noch etwas eindringlicher macht. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen?«, erkundigt er sich erneut.
»Ja, alles gut«, bestätige ich ihm hastig. »Ich bin … nur müde.«
»Sie waren gestern mit Matteo aus, nicht wahr?«
Ich setze die Kaffeetasse ein kleines bisschen zu heftig auf der Untertasse ab und stelle beides lieber wieder auf den Tisch, damit es nicht erneut Scherben gibt. Er weiß das?
Mein verdutzter Gesichtsausdruck lässt Giacomo lächeln, aber auf eine nachdenkliche Art.
»Er hat vorhin angerufen«, erklärt er mir, bevor ich nachhaken kann.
»Wollte er heute nicht vorbeikommen?« Die Frage rutscht mir raus, ehe ich es verhindern kann, sie liegt mir schon die ganze Zeit auf der Zunge, ich habe mich nur nicht getraut, sie zu stellen. Jetzt klingt sie viel zu drängend, was mir ganz schön peinlich ist. »Das … hatte er gestern jedenfalls gesagt«, schiebe ich deshalb noch erklärend hinterher und lächle möglichst beiläufig. Mein Auftraggeber bleibt jedoch ernst.
»Das war der Grund für seinen Anruf. Er kommt später, weil er Valentina erst noch nach Castel Gandolfo fahren muss.«
Irritiert runzele ich die Stirn. »Er bringt seine Großmutter zum Papst?«
Die Bemerkung scheint Giacomo sehr zu belustigen, denn er lehnt den Kopf zurück und lacht.
»In Castel Gandolfo befindet sich auch die Sommerresidenz des Papstes, das ist wahr, aber Valentina will einfach nur nach Hause. Sie wohnt dort, Sophie.«
Das ist mir neu. »Ich dachte, sie ist Ihre Nachbarin.« Hatte er nicht erzählt, dass die Villa neben seiner den Bertanis gehört?
»Die Bertanis haben hier auf dem Aventin ihren Familiensitz, das stimmt«, bestätigt er mir. »Aber inzwischen wohnt in dem Haus nur noch Luca, der Älteste, mit seiner Frau und den Kindern, die anderen sind ausgezogen. Michele lebt mit seiner Familie in Mailand, Matteo unten in Monti und Valentina ist schon vor Jahren in das Ferienhaus der Familie am Lago Albano ganz in der Nähe von Castel Gandolfo gezogen.«
Wow, denke ich, ein bisschen erschüttert darüber, was ich alles nicht weiß. Und da dachte ich, ich hätte bei meiner Internet-Recherche viel herausgefunden.
»Matteo lässt Ihnen ausrichten, dass Sie hier auf ihn warten sollen«,
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