Colours of Love
längeren Atem haben, wenn man erfolgreich sein will.« Ich habe ihn gestern auch schon sehr schnell Projekte kippen sehen, deren Rentabilität nicht völlig offensichtlich war. Das passt alles nicht.
»Ich glaube, ich weiß, warum Sie das unbedingt machen wollen.« Er hebt die Brauen. »Ach ja, und welchen Grund habe ich Ihrer Meinung nach?«
»Das Projekt ist wichtig für das Viertel, für die Leute. Es hängt viel davon ab, es wird Arbeitsplätze bringen. Und das möchten Sie gerne möglich machen.«
Er stößt die Luft aus und schüttelt den Kopf. »Also, manchmal sind Sie wirklich …« Er beendet den Satz nicht, und sein Gesichtsausdruck wird ernst. »Ich bin kein Gutmensch, falls es das ist, was Sie denken. Ich leite ein Wirtschaftsunternehmen.«
»Aber es wäre doch gar nichts Verwerfliches, wenn Sie sich deshalb so dafür einsetzen.« Im Gegenteil. Der Gedanke ist mir schon gestern gekommen, als ich ihm bei den Verhandlungen zugesehen habe. Und er gefällt mir. Es gibt Gründe, warum die Leute, die mit Jonathan Huntington Geschäfte machen, ihn so respektieren und schätzen. Und auch wenn das sicher nicht gut ist – ich kann auch nicht anders, als das zu bewundern.
Er stößt ein leises Knurren aus und kommt zurück, beugt sich über den Schreibtisch und stützt die Hände darauf. Sein Gesicht ist dicht vor meinem. »Wenn Sie mich so sehen möchten, Grace, dann kann ich Sie nicht daran hindern. Aber Sie sollten nicht enttäuscht sein, wenn Sie irgendwann feststellen, dass ich kein Held bin. Besser, Sie machen mich gar nicht erst zu einem.« Er richtet sich wieder auf. »Wir fahren in einer Viertelstunde.« Damit lässt er mich allein.
10
Mit klopfendem Herzen sehe ich ihm nach. Warum ist er so wütend? Was habe ich denn Falsches gesagt?
Auf dem Weg zu dem Meeting sitzen wir schweigend in der Limousine. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, und bin immer noch ein bisschen erschrocken über seine Reaktion vorhin.
Tatsächlich bestätigt die Sitzung jedoch meine These, denn Jonathan hat sie nur einberufen, um seiner Position noch einmal Nachdruck zu verleihen. Und natürlich gelingt es ihm, die anderen am Ende zu überzeugen, das Projekt nicht aufzugeben.
»Zufrieden?«, frage ich im Auto. Er sitzt wieder neben mir und blickt von seinem Handy auf, auf dem er gerade eine Nachricht tippt.
Seine Augen werden schmal, und er hebt eine Braue. »Sie etwa nicht? Das Projekt ist doch gut für die Leute im Viertel.« Seine Stimme trieft vor Sarkasmus. Aber ich glaube trotzdem, dass ich richtig liege, was seine Gründe für den Bau dieses Geschäftszentrums angeht.
»Und dank Ihnen wird es realisiert«, sage ich, ohne auf seinen Seitenhieb einzugehen.
»Na, dann sind wir ja jetzt alle glücklich.« Er schüttelt den Kopf und wendet sich wieder seinem Handy zu. Dabei wirkt er nicht mehr wütend, eher überrascht darüber, dass ich immer noch nicht bereit bin, meine gute Meinung über ihn zu ändern. Warum wehrt er sich so dagegen, dass ich ihn positiv sehe?
Ich blicke auf die Uhr. Fast Mittag. Zu den Plänen fürs Essen hat er nichts gesagt, aber da wir gestern auch sehr spontan in diese Sandwich-Bar gegangen sind, nehme ich an, dass er für heute ein ähnlich schnelles Essen irgendwo plant. Umso erstaunter bin ich, als die Limousine nach kurzer Fahrt in eine kleine Seitenstraße biegt und vor einem Haus anhält, das wie ein historisches Fabrikgebäude aussieht.
Wie sich herausstellt, ist es ein altes Elektrizitätswerk, das in ein Restaurant mit einer angeschlossenen Galerie namens »The Wapping Project« umgebaut wurde. Moderne Tische und Stühle stehen in der ehemaligen Werkshalle, an deren Decke noch ein Teil der alten Technik zu sehen ist. Der Kontrast ist interessant, es gefällt mir hier.
Ein Kellner nimmt uns in Empfang und begrüßt Jonathan mit Namen, dann führt er uns direkt zu einem Tisch weiter hinten im Raum, an dem ein Mann auf uns wartet.
Er ist dunkelblond, genauso groß wie Jonathan, aber ein bisschen schmaler in den Schultern, eher athletisch. In seinem hellen Anzug mit dem offenen Hemd wirkt er sehr smart. Er steht auf, als er uns kommen sieht.
»Gut, dass du endlich wieder da bist«, sagt Jonathan, und die beiden Männer umarmen sich herzlich. »Ich dachte schon, du lässt mich auf ewig mit allem alleine.«
Der blonde Mann grinst und deutet mit dem Kinn auf mich. »Wie ich sehe, hast du dich ja getröstet«, erwidert er und betrachtet mich neugierig.
Jonathan streckt den Arm aus
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