Colours of Love
und holt mich näher zu sich heran. Ich spüre seine Hand in meinem Rücken. »Das ist Grace Lawson, unsere neue Praktikantin aus Chicago«, stellt er mich vor. »Und das ist Alexander Norton, mein Kompagnon.«
Jetzt erkenne ich ihn. Auch von ihm habe ich schon ein Foto gesehen, doch auf dem hatte er kürzere Haare und wirkte sehr ernst und in sich gekehrt. Und jünger. Vielleicht wurde das Bild schon vor ein paar Jahren aufgenommen. Im Moment jedenfalls strahlt Alexander Norton zufrieden, als er mich begrüßt.
»Freut mich, Grace. Sie kommen also von John White? Wie geht es dem alten Herrn denn?«
»Gut, glaube ich.« Was soll ich dazu sagen? John White ist schon über sechzig und mein Professor, zu dem ich keinerlei private Verbindung habe. Aber Alexander Norton hat sich ohnehin schon wieder an Jonathan gewandt.
»Wieso hast du sie mitgebracht?«, fragt er, während wir uns setzen, und ich höre die Neugier in seiner Stimme.
»Sie begleitet mich zu meinen Terminen«, erklärt Jonathan, der mir den Stuhl herauszieht und sich dann auf den Platz neben mir setzt. Als Alexander erstaunt die Brauen hebt, fügt er hinzu: »Sie hat sich sehr gut angestellt, deshalb haben wir ihr Praktikum erweitert.«
»Du meinst, du hast es erweitert. Mich hast du nicht gefragt, soweit ich weiß«, entgegnet sein Kompagnon. Er lächelt mich an, als er meinen erschrockenen Blick sieht. »Eine ungewöhnliche Ehre, Grace. Aber ich habe nichts dagegen, keine Sorge. Ganz im Gegenteil. Ein bisschen Gesellschaft kann Hunter nicht schaden.«
Hunter, denke ich. Jäger. Wieso nennt er Jonathan so? Vielleicht wegen Huntington. Oder hat es eine andere Bedeutung? Es muss auf jeden Fall ein Spitzname sein, den Jonathan häufig hört, denn er registriert ihn gar nicht, sondern redet schon weiter. Offensichtlich will er gerne das Thema wechseln.
»Jetzt erzähl mir lieber, wie es mit dem Nelson-Projekt läuft. Haben sich die drei Wochen Asien gelohnt?«
Alexander Norton strahlt sofort wieder begeistert. »Sehr sogar. Wir machen riesige Fortschritte.« Die beiden Männer unterhalten sich über das Geschäft, während ich die Karte studiere und sie immer wieder verstohlen beobachte.
Ich bin fasziniert von ihrem Verhältnis zueinander, von der lockeren Art, wie sie miteinander umgehen. Mit niemandem sonst habe ich Jonathan so offen erlebt, und erst jetzt wird mir klar, wie viel Distanz er normalerweise zu seinen Gesprächspartnern wahrt. Es ist eine Seite an ihm, die ich noch nicht kenne – aber die mir gut gefällt.
»Wie geht es eigentlich Sarah?« Alexander Nortons Frage an Jonathan lässt mich aufhorchen. »Hast du etwas von ihr gehört?«
Jonathan lacht. »Sie findet Rom immer noch faszinierend, aber sie kommt zum Glück trotzdem übernächste Woche nach Hause. Ist wahrscheinlich besser so. Denn wenn du mich fragst, verbringt sie ihre Zeit nicht in der Bibliothek, wie sie es sollte, sondern verdreht den Italienern da unten den Kopf.« Seine Stimme klingt liebevoll, und ich spüre einen schmerzhaften Stich. Wer ist Sarah?
»Hat sie jemanden kennengelernt?« Alexander wirkt nervös, fast besorgt. Jonathan zuckt nur mit den Schultern.
»Meine kleine Schwester erzählt mir nicht alles, falls du das meinst.«
Jonathans Schwester. Natürlich. Die, die er manchmal massiert. Ich bin so erleichtert, dass ich lächle, und frage mich gleich anschließend, wieso ich den Gedanken, dass es jemanden in Jonathan Huntingtons Leben gibt, der nicht mit ihm verwandt ist und über den er liebevoll spricht, so schlecht ertragen kann.
Jonathan runzelt die Stirn und betrachtet Alexander dann mit einem ziemlich amüsierten Lächeln. »Das interessiert dich also immer noch?« Spott schwingt in seiner Stimme mit. »Dir ist wirklich nicht mehr zu helfen.«
Alexander fühlt sich offenbar nicht angegriffen, denn er grinst nur. »Du kennst mich doch.«
Bevor ich noch Zeit habe, über diese geheimnisvollen Andeutungen genauer nachzudenken, bringt der Kellner unsere Getränke – Jonathan hat Wasser und einen Weißwein für uns bestellt –, und Alexander Norton erhebt sein Glas.
»Auf Huntington Ventures’ erfolgreichen Ausflug in den asiatischen Markt«, erklärt er, und wir stoßen mit ihm an. »Das wird deinen alten Herrn aber gewaltig ärgern, wenn er erfährt, dass seine Vorhersage nicht eingetreten ist und die Firma demnächst weltumspannend arbeitet, oder?«
Jonathan lächelt, aber diesmal erreicht es seine Augen nicht. »Das hoffe ich doch.« Es klingt
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