Colours of Love
Schreibtisch von Catherine Shepard, die nicht an ihrem Platz sitzt. Was gut ist, denn es wäre mir unendlich peinlich gewesen, wenn sie das gerade mitbekommen hätte. Dann drehe ich mich um und gehe in mein Büro, schließe die Tür hinter mir und lehne mich dagegen.
Gestern Abend wollte er noch, dass ich unbedingt dabei bin, wenn er Yuuto Nagako trifft, und heute schließt er mich aus. Da komme ich einfach nicht mehr mit.
Kurze Zeit später höre ich das Pling, das die Ankunft des Fahrstuhls ankündigt, und dann Männerstimmen im Flur. Eine gehört Jonathan, und er redet Japanisch mit seinem Besucher.
Ich warte, bis sich die andere Bürotür wieder schließt, dann mache ich mich auf den Weg nach unten. Ich könnte mich jetzt sowieso nicht auf irgendwelche Unterlagen konzentrieren, deshalb will ich schnell bei Annie vorbeischauen.
Shadrach Alani sitzt an seinem Platz, als ich komme, deshalb gehen Annie und ich in die Küche, wo wir allein sind.
»Was ist los?«, fragt sie besorgt.
»Nichts. Ich muss nur warten. Er hat einen Termin, bei dem ich nicht dabei sein kann, und da dachte ich, ich besuche dich kurz.«
Ich nehme den Becher mit Tee entgegen, den Annie mir hinhält.
»Wen trifft er denn?«, will sie wissen.
»Diesen Japaner, der dabei war, als ich kam – erinnerst du dich?«
»Yuuto Nagako?«
Ich nicke und runzle die Stirn, denn Annie sieht schon wieder aus, als wäre das etwas Schreckliches. »Was? Ist mit dem irgendwas nicht in Ordnung?«
»Nein. Er ist nur kein Geschäftspartner, nicht wirklich, eher so was wie ein Mentor. Es heißt, er hat den Boss bei der Gründung der Firma damals unterstützt.« Sie beugt sich vor. »Und ich glaube, wenn er hier ist, geht er auch mit in diesen Club.«
Ich seufze tief. »Aber da wir ja nicht wissen, was das für ein Club ist, muss uns das ja nicht interessieren.«
»Es muss irgendein Sexclub sein, Grace.«
Für einen Moment bin ich sprachlos. Sexclub, denke ich und staune, wie wenig mich das schockiert. Ich kann nur an meinen Traum denken. Und daran, was Jonathan Huntington in so einem Club wohl tut. »Bist du sicher?«
Annie nickt und sieht mich ernst an. »Es ist zwar nur ein Gerücht, aber es hält sich hartnäckig. Und ich will einfach nicht, dass du …«
Die Tür geht auf, und wir fahren beide erschrocken herum. Jonathan steht im Türrahmen.
»Grace, kommen Sie bitte wieder mit rauf?«, sagt er in diesem unnachgiebigen Tonfall, den ich schon so gut kenne. Es ist keine Bitte. Es ist ein Befehl.
Mit leicht zitternden Fingern stelle ich den Becher auf die Ablage. Annie starrt erschrocken zwischen mir und Jonathan hin und her, ohne etwas zu sagen. »Wir sehen uns später«, raune ich ihr zu, dann folge ich Jonathan, der schon vorgegangen ist. Mit weit ausholenden Schritten geht er über den Flur, sodass ich fast rennen muss, um hinterher zu kommen.
Erst im Fahrstuhl spricht er wieder.
»Was wollten Sie da unten?« Der Vorwurf in der Frage ist nicht zu überhören.
»Mir die Zeit vertreiben, bis Ihre Besprechung vorbei ist.«
»Ich hatte gesagt, dass Sie in Ihrem Büro warten sollen.« Er schreit den letzten Satz fast, und ich zucke zusammen. Aber dann werde ich wütend, weil er mich schon den ganzen Tag mit seinen Launen total verwirrt. Was glaubt er eigentlich, wie er mit mir umspringen kann?
»Ja, Sie hatten gesagt, ich soll warten. Aber da ich keinen konkreten Auftrag hatte, werde ich ja wohl selbst entscheiden können, wie und wo ich das tue. Vielleicht machen Ihre Sekretärin und Ihr Chauffeur immer, was Sie ihnen sagen, aber die bezahlen Sie ja auch dafür.«
Auf seinem Gesicht spiegeln sich Ungläubigkeit und Überraschung. Offenbar hat er mit einer solchen Antwort nicht gerechnet. Seine Miene verdunkelt sich, und er macht einen Schritt auf mich zu, was mich zurückweichen lässt. Weit komme ich jedoch nicht, denn schon spüre ich die verspiegelte Wand in meinem Rücken.
»Sie bezahle ich auch.« Seine blauen Augen funkeln zornig, aber ich weiche ihm nicht aus, erwidere seinen Blick.
»Ja, aber nicht gut genug, dass ich mir so etwas gefallen lasse. Ich bin doch kein Hund, dem Sie befehlen können, sich irgendwo abzulegen und brav zu warten, bis Sie wiederkommen. So funktioniert das nicht.«
Er kommt noch näher, steht jetzt direkt vor mir. Ich muss den Kopf heben, um ihn weiter anzusehen, und meine Kehle ist schutzlos seiner Hand ausgeliefert, die sich daran legt. Seine Finger streicheln über meine Haut. Sein Gesicht ist meinem so
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