Colours of Love
Schlafzimmer liege. Der wuchtige Holzschrank und die Kommode, die an der Wand stehen, sind dunkel und der glänzende Parkettboden auch. Einige dicke weiße Wollteppiche liegen darauf wie Inseln, die dem Boden die Kälte nehmen. Der einzige Farbklecks im Raum ist ein kantiger roter Sessel, auf dem ein Kleid liegt. Es ist grün mit ganz zarten weißen Tupfen und kommt mir bekannt vor. So eins habe ich auch. Außerdem liegt da ein weißer Strick-Bolero, und ich kann die Körbchen eines BHs sehen, weiß, mit Spitzenrand. Auch so einen habe ich …
Plötzlich krallen sich meine Finger in die weiche Decke, unter der ich liege, und ein eisiger Schock durchfährt mich, als mir klar wird, dass es meine Sachen sind , die da vorn auf dem Stuhl liegen. Das alles hatte ich gestern an.
Sofort blicke ich an mir herunter, aber ich bin nicht nackt, sondern trage ein kariertes Hemd, das mir viel zu groß ist. Es riecht gut und irgendwie vertraut, nach – Jonathan!
Mit einem Aufstöhnen drehe ich mich auf den Rücken und fasse mir an die Stirn, als mir der gestrige Abend wieder einfällt. Das Essen mit dem Earl of Davenport. Der Wein und der Champagner, die Fahrt in der Limousine … Oh Gott.
Verzweifelt kneife ich die Augen zu und wünsche die Bilder weg. Aber die Wirkung des Alkohols ist verflogen und die Realität starrt mir hässlich und unbequem ins Gesicht, lässt sich nicht mehr vertreiben.
Ich war betrunken. Richtig schlimm betrunken. So schlimm, dass Jonathan mich festhalten musste, als wir das Lokal verließen, und später sogar tragen. Ich erinnere mich noch an das Gefühl seiner Arme, die mich umfassen und halten. Aber wohin hat er mich gebracht?
Ist das hier sein Schlafzimmer? Von der Art der Einrichtung könnte es schon sein, alles wirkt edel und teuer und groß. So etwas kann man sich in London nur leisten, wenn man Geld hat. Aber wenn es sein Schlafzimmer ist, warum bin ich dann hier? Wieso hat er mich nicht nach Hause gebracht?
Wo ist dein Schlüssel, Grace? höre ich seine Stimme plötzlich wieder sagen. Das hat er mich im Auto gefragt, daran erinnere ich mich. Aber ich wusste es nicht und es war mir auch egal. Hat er danach gesucht und ihn nicht gefunden? Hat er in der WG geklingelt, und es war niemand da? Oder hat er mich direkt hierher gebracht?
Ich richte mich auf und ziehe die Decke bis an mein Kinn hoch, weil ich mich plötzlich so schutzlos fühle. Ich habe keine Ahnung, was letzte Nacht passiert ist. Nur eins steht fest: Jonathan hat mich offenbar aus- und mir anschließend eines seiner Pyjamahemden angezogen. Was bedeutet, dass er mich nackt gesehen hat. Hitze prickelt über meine Brust und zieht über meinen Hals in meine Wangen, weil der Gedanke so schockierend und gleichzeitig so erregend ist.
Aber fand er das auch? Oder war er furchtbar genervt von mir? Schließlich habe ich mich übel blamiert. Was ja eigentlich nicht weiter überraschend ist, denn seit ich englischen Boden betreten habe, scheint das eine neue Angewohnheit von mir zu sein. Nur dass ich diesmal nicht nur mir selbst damit geschadet habe, sondern auch Jonathan.
Das hämische Gesicht von diesem widerlichen Richard taucht vor meinem inneren Auge auf, der behauptet hat, Jonathan und ich wären ein Paar. Was Jonathan extrem wütend gemacht hat. Er hat sogar gesagt, dass er mich feuern will – und ich habe geantwortet, dass er mich lieber küssen soll.
Stöhnend schlage ich die Hände vors Gesicht und wünschte, ich könnte das zurücknehmen. Bestimmt habe ich alles ruiniert, und er macht ernst – er wird mich rauswerfen, sobald ich ihm wieder unter die Augen komme.
Am liebsten würde ich mich wieder hinlegen, die Augen schließen und hoffen, dass ich noch mal einschlafe – und dass alles nur ein Albtraum war, wenn ich dann wieder aufwache. Aber die Chancen stehen leider total schlecht, das ist mir nur allzu bewusst.
Steh zu deinen Fehlern, Grace . Das sagt Grandma Rose gerne zu mir, und ich kann sie vor mir sehen, wie sie mich mit strengem, unerbittlichem Blick fixiert. Sie hat immer darauf bestanden, dass Hope und ich die Verantwortung für das übernehmen, was wir tun – und die Konsequenzen tragen, selbst wenn sie unangenehm sind.
Mit einem schiefen Lächeln blicke ich an mir herunter. Gut, dass sie mich gerade nicht sehen kann. Ich schätze, sie wäre ziemlich entsetzt, wenn sie wüsste, dass ich halbnackt im Bett eines der reichsten Junggesellen Englands sitze und nicht weiß, was letzte Nacht passiert ist.
Aber
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