Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Columbus war ein Englaender

Columbus war ein Englaender

Titel: Columbus war ein Englaender Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
Vom Netzwerk:
undWild, Spülküchen in und außerhalb des Gebäudes sowie ein sogenannter Geschirraum, der rund um die Küche lief. Die Toiletten hatten riesige Holzkästen, an denen Ketten mit der Aufschrift »Ziehen« baumelten, und Waschbecken, bei denen durch Umlegen eines Stifts das Wasser ablief. Das Bügeln erledigte eine gigantische elektrische Bügelmaschine, deren sämtliche Hebel mit Bakelit-Knöpfen versehen waren. Hoch oben an der Wand im hinteren Flur hing ein großer Kasten, hergestellt von Mann Egerton’s aus Norwich, bevor sie entdeckten, daß man mit dem Verkauf von Rolls-Royce mehr Geld verdienen konnte. Ein beweglicher Blechstern in dem Kasten zeigte an, in welchem Zimmer geläutet worden war, und gleich daneben baumelte ein dickes, aus blauen und roten Bändern gewundenes Glockenseil, an dem gezogen wurde, um uns zum Mittag- oder Abendessen ins Haus zu rufen, oder auch, wenn eine Abreibung fällig war.
    Nach einem schweigsamen Mittagessen (bei dem mein Vater mir finstere Blicke zuwarf, weil ich meine Gabel nicht anständig halten konnte oder feierlich irgendeinen blödsinnigen Rekord aus dem Guinness-Buch verkündet hatte) unternahm Nanny Riseborough mit Jo einen Nachmittagsspaziergang, zuerst im Kinderwagen, dann im Buggy und zuletzt zu Fuß. Manchmal schlossen unsere Siamkatze Jemina und ich uns an; je nach Jahreszeit kehrten wir mit zahllosen Bastkörbchen voller Brombeeren oder großen Narzissensträußen zurück, gegen die ich, wie sich nach einem Nachmittag mit reicher Ausbeute herausstellte, allergisch war. Eiligst schaffte man mich ins nahe Aylsham (nahe heißt hier sieben Meilen entfernt), wo mir ein Arzt eine Adrenalinspritze verpaßte. Nur Champagner und ein von Trappistenmönchen gebrautes belgisches Bier haben je noch schlimmere Übelkeit in mir verursacht.
    Der Pferdestall, in dem mein Vater arbeitete, hieß bei uns nur übern Hof. »Ist Daddy übern Hof?« wurde zur wichtigsten Frage überhaupt. Wenn ja, hieß das, wir konnten imHaus herumtoben, die Treppengeländer herunterrutschen, irgendwelche Spiele veranstalten, einfach nur herumlungern oder, wenn wir ganz mutig waren, fernsehen .
    Wenn Daddy nicht übern Hof war, hieß das, er war in seinem Arbeitszimmer, so daß wir vorsichtig durchs Haus schlichen wie über rohe Eier. Der schlimmste Fall aber war, wenn man glaubte , er sei übern Hof, und seine Rückkehr ins Haus nicht mitbekommen hatte. Mitten im Spiel hörten wir dann das unheilvolle Hämmern, mit dem er seine Pfeife im Aschenbecher ausklopfte, und erkannten zu unserem Entsetzen, daß er im Haus war. Schlagartig verwandelten sich alle Freude, Ausgelassenheit und Freiheit in bedrückendes Schweigen. Das beste war noch, sich leise aus dem Haus zu stehlen und irgendwo im Garten zu beschäftigen.
    Es gab aber auch Glückstage, an denen er nach Norwich oder gar nach Yorkshire mußte. Geschah das unter der Woche, gingen wir die Männer übern Hof besuchen, Daddys Angestellte, die im Stall arbeiteten. Wenn wir reinschneiten, blickten sie von ihren Lötkolben auf, zwinkerten mit den Augen und begrüßten uns nacheinander mit »Guten Tag, junger Mann«, während wir an den Knöpfen der Oszillographen herumdrehten oder auf die unwiderstehlichen grünen Schalter der Maschinen drückten.
    Im Laufe der Jahre hat mein Vater die unterschiedlichsten Geräte entwickelt. Eine seiner Erfindungen, ein Gerät namens Are Rule, war von mir mit Spannung verfolgt in Tom-Tom , der BBC-Vorläufersendung von Tomorrow’s World , vorgestellt worden. Eine Zeitlang war fast der gesamte Stall von der Herstellung elektrischer Tesafilmspender in Beschlag genommen, zusammenmontiert von fröhlichen Frauen aus den umliegenden Dörfern, die Radio 2 hörten, wenn der Chef nicht zugegen war. Ein anderes Mal entwickelte mein Vater für Ford ein elektronisches Steuerungssystem für ihr Automatikgetriebe, und der ganze Stall war mit Ford-Capri-Teilen übersät. In den Siebzigern stellte er lange Zeit sogenannteHalbleiterventil-Steuerungen her, deren Verwendungszweck mir bis heute ein Rätsel ist, aber ich weiß noch, daß sie genialerweise in Glasharz versiegelt waren, damit kein Käufer ihr Innenleben erforschen konnte, ohne das Teil zu zerschmettern.
    Später konstruierte und baute mein Vater die glorreichste Erfindung, die die Welt je gesehen hat, eine Maschine zur Herstellung von Nietenband, die besonders der Möbelindustrie überaus gelegen kam. Die Apparatur selbst erinnerte an einen seltsamen Zwitter aus Filmprojektor,

Weitere Kostenlose Bücher