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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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mit der Inquisition.
    Mit Entsetzen und Mitleid wird er diesen grauenvollen Exodus angesehen haben. Keine Familie darf mehr mitnehmen als das, was sie tragen kann. Die Ausfuhr von Gold, Silber, von Münzen und Schmuck ist im Austreibungsdekret verboten. Außerdem müssen die Juden eine Art Ausreisesteuer bezahlen - nur wer diese Abgabe geleistet hat, darf fort aus Spanien -, und bleiben dürfen sie nur, wenn sie sich taufen lassen. Es ist eine teuflische Quadratur des Kreises.
    Während Columbus auf dem Weg nach Palos ist, um seine Schiffe und Mannschaften herbeizuzaubern, spielt sich in Granada am Hof eine dramatische Szene ab. Don Isaak Abrabanel, ein Freund von Luis Santangel, einer der Führer der jüdischen Gemeinde und einer der reichsten Männer Kastiliens, der dem Königspaar oft aus Geldverlegenheiten geholfen hat, erbittet eine Audienz bei den Majestäten.
    Er weiß um die zynische Meinung der Zeit: »Die Juden sind eine Sparbüchse, die man zerschlägt, wenn man Geld braucht.« Er vertraut auf die Habgier der Herrscher und hofft, sein Volk freikaufen zu können. Landauf, landab hat er bei seinen Glaubensgenossen gesammelt. Er ist zuversichtlich. Schon oft hat es ähnliche prekäre Situationen gegeben und immer konnte man sich freikaufen.
    Die Majestäten sitzen nebeneinander auf ihrem Thron und schauen mit verschlossenen Gesichtern auf den alten Mann im dunklen Gelehrtenmantel, auf seinen weißen Bart und seine gichtverkrümmten Hände. Abrabanel wirft sich vor dem Herrscherpaar zu Boden und küsst den Saum von Isabellas Mantel. Demütig beginnt er seinen Vortrag: Erklärt, dass die Juden seit den Zeiten König Davids auf der iberischen Halbinsel wohnen und keine Fremden seien. Dass sie stets in Eintracht und mit Respekt zusammen mit der christlichen Bevölkerung gelebt hätten. Dass nun, nach der glücklichen Vertreibung der Mauren, das Land die Hilfe aller nötig habe, um sich von den schweren Verlusten zu erholen. Und dass die Juden Spaniens bereit seien, im Lande tätig mitzuwirken, falls sie denn bleiben dürften.
    Noch immer sind die Gesichter derer da oben auf dem Thron unbewegt. Aber dann beginnt Abrabanel, Summen zu nennen. Millionen von Maravedis werde die Judenheit Spaniens den Majestäten verehren! Eine schwere Schatulle wird auf sein Zeichen von den Pagen herbeigeschleppt und geöffnet: Hier, dreißigtausend als Anzahlung!
    Der Glanz des Goldes bringt Bewegung in die Herrschaften. Isabella beugt sich interessiert vor, und Ferdinand, der womöglich noch geldgieriger ist als seine Gemahlin, steht sogar auf, kommt die Thronstufen hinunter und lässt die Münzen durch die Hände gleiten.
    Abrabanel atmet auf. Es scheint zu gelingen, wie so oft schon in der Vergangenheit! Warum sollte man wohl auch eine Kuh schlachten, wenn sie noch Milch gibt?
    In diesem Augenblick fliegt die Tür auf.
    Großinquisitor Tomas de Torquemada braucht nie um eine Audienz bitten, er kann stets unangemeldet bei den Königen ein und aus gehen! Der hagere Geistliche stürmt mit wehendem Habit in den Raum - seine Zuträger haben ihm von der Audienz berichtet, und die Lauscher, die hinter jeder Tür stehen an so einem Hof, haben ihn eilig davon benachrichtigt, was da vor sich geht.
    Torquemadas schmales asketisches Gesicht ist rotfleckig vor Zorn und seine Augen funkeln. Er reißt sich das große Kruzifix, das ihm an goldener Kette um den Hals hängt, mit wütender Gebärde ab und wirft es auf das jüdische Gold in der Truhe.
    Â»Meine Kinder!«, wendet er sich an die Herrscher, und seine Stimme klingt eisig. »Judas Ischariot hat Christus für dreißig Silberlinge verraten. Ihr wollt es für dreißigtausend tun. Hier, verkauft auch noch das Kreuz!«
    Sein lodernder Blick streift die erstarrten Könige - er kennt die Majestäten gut genug, um zu wissen, dass er gesiegt hat. Wendet sich ab und spuckt im Vorbeigehen vor Abrabanel aus. -
    Isaak Abrabanel ist gescheitert. Natürlich wird das Angebot der Juden abgelehnt. Die Truhe mit dem Geld behält man trotzdem ein.
    Â 
    Die jüdische Vertreibung aus Spanien gerade in diesem Augenblick ist ein von blindem, wild fanatischem Glaubenseifer und ökonomischer Kurzsichtigkeit geprägter Akt. Zwar kassieren die Majestäten die »Fluchtsteuer« und bereichern sich, wie wir noch sehen werden, an dem Vermögen der Vertriebenen - ein momentaner

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