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Columbus

Titel: Columbus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waldtraut Lewin
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wir an ihm bewundern konnten: Seine Wissbegier, sein Wagemut, seine Ausstrahlung, seine Nervenstärke und die zähe Entschlossenheit, einem Ziel nachzujagen, seine Fantasie und seine Fähigkeit, im entscheidenden Moment das Richtige zu tun oder zu sagen. Immer mehr trübt sich sein Charakterbild, und immer mehr rückt er in die Nähe all der gewissenlosen und goldgierigen Konquistadoren, der skrupellosen Geschäftemacher. Gern würden wir ihn hier verlassen - aber ich denke, wir sind es ihm schuldig, bis ans bittere Ende mit ihm zu gehen. Eine Mission, die bald nur noch schmutziges Geschäft ist - sie steht stellvertretend für ganz Europa, für das, was wir im Namen des Christentums der Neuen Welt angetan haben. Wir können nicht wegsehen.
    Â 
    Columbus kann Schiffe führen - aber keine Menschen. Wir haben sein beschämendes Verhalten gegenüber der Mannschaft erlebt, den Diebstahl der Rente eines kleinen Matrosen, die ständigen Zänkereien mit Pinzón und seinen anderen Offizieren, und nur wenn es um seine Idee ging, konnte er über sich hinauswachsen und das Schiffsvolk auf seine Seite bringen. Man hat ihn bei der ersten Überfahrt nicht geliebt - bald wird man ihn hassen.
    Mit seiner Rolle als Vizekönig, als Landesherr sozusagen, ist der Kartenzeichner aus Mallorca, der Seefahrer und Abenteurer hoffnungslos überfordert. Davon zeugen eine Reihe verhängnisvoller Fehlentscheidungen.
    Jetzt soll er eine Kolonie gründen, mit hunderten von Siedlern. Er hat keinerlei Erfahrung in Stadtplanung und Stadtverteidigung und er hat außerdem die falschen Leute auf den Schiffen. Es waren zu wenig Bauern, Handwerker und Bergleute unter den Umsiedlern, aber dafür allzu viele hochnäsige Hidalgos, ruhmsüchtige Glücksritter, die mit nichts umgehen konnten als mit dem Schwert.
    Der erste Patzer, den er macht, ist die Wahl des Ortes, wo er seine Kolonie anlegen wird. Um ja nahe genug an der erhofften »Goldquelle« Cibao zu sein und möglichst rasch mit den Grabungen anfangen zu können, wird für die Niederlassung »Isabela« eine Gegend gewählt, die man sich unpassender gar nicht vorstellen kann. Sie ist sumpfig, es gibt zu wenig gutes Trinkwasser und die Bucht bietet den Schiffen wenig Schutz. Nur ein paar Meilen weiter östlich hätte es gute Naturhäfen gegeben! Aber nein, es muss hier sein.
    Und nun sollen all diese von sich überzeugten Kämpfer und Beutemacher plötzlich Hand anlegen - wo man ihnen doch erzählt hat, sie würden wie die Granden leben, bedient von Massen unterwürfiger Wilder, die für sie außerdem die Felder bestellen und das Gold aus der Erde holen! Kein Wunder, dass der Aufbau der Ansiedlung sehr schleppend vonstatten geht.
    Bald holen sich die Siedler die Ruhr und in dem von Moskitos verseuchten Sumpfgebiet die Malaria - auch Columbus fängt sich dies tückische Fieber ein. Außerdem leidet er zunehmend an Gicht. Die langen harten Jahre zur See machen sich bemerkbar.
    Das mitgebrachte Saatgut gedeiht nicht in dem fremden Boden. Die Lebensmittelvorräte werden knapp, und die Indianer sind nur sehr zögernd bereit, freiwillig auszuhelfen. Die Kolonisten greifen zur »Selbsthilfe« - spanische Banden streifen über die Insel, plündern und rauben, terrorisieren die Eingeborenen. Columbus sieht weg. Wenn er einmal eine Entscheidung treffen soll, reagiert er so unentschieden und taktisch unklug, dass keine der Parteien zufrieden ist. Immer haben die Recht, die als Letzte sein Arbeitszimmer verlassen. Ständig stößt er Entscheidungen um, oder er verhält sich andererseits wieder völlig starrköpfig, wo er hätte Einsicht zeigen müssen.
    Zu alledem ist die Goldausbeute eher bescheiden. Und das treibt die Siedler zur Raserei. Gold muss her! Columbus, der Vizekönig, verfügt, dass jeder Ureinwohner über vierzehn Jahre alle drei Monate eine bestimmte Menge an Gold abzuliefern hat - ein umgekehrtes Falkenglöckchen voll, jene Glöckchen, die die Spanier als »Gastgeschenke« ins Land gebracht hatten und die damals die Menschen auf Guanahaní so entzückten... Die Forderung ist kaum erfüllbar. Aber wer das »Soll« nicht schafft, wird aufs Schwerste bestraft. Der Franziskanermönch Bartolomeo de las Casas, ein Mann, der sowohl Columbus verehrte als auch für die Rechte der Indianer eintrat, schildert die unmenschlichen Gräuel in seiner

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