Columbus
»Historia de las Indias« (Geschichte der indischen Länder). Er ist der Erste, der die Spanier als schlechte Christen brandmarkt und Abhilfe fordert.
Und Columbus? Er sieht weg. Er ist lieber auf Entdeckungsfahrt unterwegs - was die Probleme nicht kleiner macht. Und um die eigene Tasche zu füllen, entblödet er sich nicht, fünfhundert Taino-Indianer als Sklaven nach Spanien zu verschiffen. Damit sinkt er auf das Niveau eines primitiven Seeräubers herab...
Bruder Bartolomeo wird gleich mit dem Amt eines Stellvertreters betraut. Vetternwirtschaft, wie sie im Buche steht! Und keine gute Wahl - denn der gelernte Kartenzeichner meint, sich durch martialische Strafaktionen bei Spaniern und Einheimischen durchsetzen zu müssen, damit man ihn für voll nimmt. Diego und Bartolomeo verwandeln sich mit Macht in den Händen zu brutalen Despoten. Indianer, die ihr »Soll« an Goldstaub nicht erbringen können, werden verstümmelt, mit Hunden zu Tode gehetzt, auf Scheiterhaufen verbrannt. Aber auch Siedler, die etwa auf eigene Faust die Goldsuche starten, hängt man kurzerhand auf.
Er, Columbus, wird also lieber erst einmal von April bis September weiter gen Westen segeln und neue Länder entdecken. Da bekommt er nicht mit, was geschieht.
Das Wüten der Eindringlinge ist unvorstellbar. -
Unser Admiral entdeckt Jamaika und umschifft die Südküste Kubas, immer noch seinen Wahnvorstellungen hinterherjagend. Während dieser Reise, die er einmal wieder in der klassischen »Drei-Schiffe-Kombination« unternimmt, passiert das wohl Absurdeste, was dieser in Widersprüchen und Absurditäten lebende Mann jemals getan hat. In der Bucht von Bahia Cortes lässt er am 12. Juni 1494 seine kleine Flotte dicht nebeneinander vor Anker gehen. Er beauftragt den königlichen Notar, der natürlich mit von der Partie ist, um Ländereien nach »Recht und Gesetz« der spanischen Krone einzuverleiben, er beauftragt den Mann also, eine Erklärung zu verfassen, des Inhalts, dass alle Beteiligten an dieser Expedition der felsenfesten Ãberzeugung seien, sie hätten das asiatische Festland erreicht. »Sie alle sollten sagen«, beschreibt später ein Zeitgenosse den denkwürdigen Vorgang, »dass hier Indien beginne und ende; wer immer wolle, der könne von hier aus zu Fuà nach Spanien gelangen.« Denen, die später einmal diese Erklärung widerrufen würden, droht Geldstrafe oder sogar das Herausschneiden der Zunge (die übliche Strafe bei Meineid.)
Natürlich unterschreiben alle, und wer nicht schreiben kann, macht seine drei Kreuze. Wahrscheinlich hatte keiner Lust, »von hier aus zu Fuà nach Spanien« zu gehen - falls Columbus ihn nämlich wegen Meuterei ausgesetzt hätte.
Hat er den Verstand verloren?
Ich glaube, diese Geschichte zeugt von zwei Dingen: einmal davon, unter welch verzweifeltem Erfolgsdruck der Mann damals steht. Er weiÃ, dass der Hof und seine Geldgeber ungeduldig auf Ergebnisse warten, weiÃ, dass die versprochene Goldschwemme noch für lange Zeit oder vielleicht überhaupt nicht eintreten wird und sicher auf die Dauer keiner in ein Risikounternehmen investieren wird. Er hat mit diesem Dokument etwas in der Hand, um sich zu rechtfertigen.
Zum Zweiten: Es ist offensichtlich, dass er jetzt wusste, woran er war. Es war nicht Indien. Es war die Neue Welt. Und sie war anders. So ganz anders als erwartet. Man lässt sich nur etwas auf so rigorose Weise bestätigen, wenn man weiÃ, dass es nicht das ist, was bestätigt wird.
Wollte er den Königen und Santangel gegenüber sein Gesicht wahren? Oder ist es eine Art Ablenkungsmanöver, um andere Entdecker fern zu halten? Legen wir dies bizarre Rätsel noch auf den beträchtlichen Berg von Rätseln um diesen Mann drauf.
Als er schlieÃlich schwerkrank, von Malaria und Arthritis geplagt, zurückkommt, erleidet er kurz vor der Ankunft in Isabela einen Kollaps; mangelnde Ernährung, Stress und Depressionen lassen ihn für Tage in eine totenähnliche Starre verfallen. Es liegt nahe, dass er sich auch in die Krankheit flüchtet, weil er schon ahnt, was in der Ortschaft auf ihn zukommt.
Zu Recht. Die Siedler gehen ihn wegen seiner mangelhaften Führung so massiv an, dass er es vorzieht, nach Spanien zurückzukehren. AuÃerdem ahnt er, dass er am Hof im Augenblick keinen guten Stand hat. Andere sind bereits vor ihm nach Spanien gefahren,
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