Commander Scott 07 - Das Tor Zum Paradies
besuchen« sagte Scott.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte der Prior mit leisem Zischen. »Seid still. Wir sind gleich da.«
Der Gang mündete in einer kreisrunden Felsenkammer, von dem andere Gänge wie die Speichen eines Rades abgingen. Einer dieser Gänge war mit einer Gittertür aus Silber versperrt. Als sie sich dieser Gittertür näherten, nahm Scott eine Bewegung wahr.
Er dachte zuerst an Chemile, aber als er näher kam, erkannte er mehrere Gestalten in steinfarbenen Roben, die regungslos an den Wänden des Ganges aufgereiht waren.
Hna Irmuse öffnete das Tor mit einem Schlüssel, den er an einer Kette um den Hals trug. Von jetzt an ging es scharf nach unten. Rillen waren in den Boden eingeschlagen, damit man nicht ins Rutschen kam. Im blauen Licht der Keils an der Decke schimmerten die feuchten Wände wie blankes Eis. Ab und zu erkannte Scott eine Aushöhlung in der Wand -kleine, in den Stein gehauene Nischen, in denen früher einmal primitive Öllampen gebrannt haben mußten. »Wo, zum Teufel, führen Sie mich überhaupt hin?« fragte Scott laut.
»Nur noch eine kleine Weile«, sagte die Stimme des Priors leise. »Und schweigt jetzt - wir befinden uns auf heiligem Boden.«
Eine natürliche Höhle öffnete sich jetzt vor ihnen. Stalaktiten hingen von der Decke und vereinigten sich hier und dort mit Stalagmiten, die ihnen entgegen wuchsen. Hier bestanden die Wände aus Kalk. Offenbar war dieses Urgestein von den Lavamassen der Insel überlagert worden. Die Luft war kühl und ein wenig salzig, und irgendwo im Schatten tropfte es unaufhörlich.
»Vor vielen, vielen Jahrtausenden«, sagte Hna Irmuse, »war diese Höhle glatt und hell, und die Gänge, die von ihr abzweigten, führten alle hinaus ins Freie. In jener schon so lange zurückliegenden Zeit kamen die Menschen hierher, um in diesem Tempel zu opfern. Und die Menschen tun das auch heute noch. Seht dort, Lieutenant, der Beweis, daß die Wirklichkeit nicht das ist, was wir für die Wirklichkeit halten. Dort steht das Tor von Gholan!«
Scott blickte in die Richtung, in die der Prior deutete. Die den Abt begleitenden Meister hoben ihre Keils. Die Schatten lösten sich auf. Und was er für eine natürliche Steinbildung gehalten hatte, wurde zu einem undurchdringlichen Vorhang der Dunkelheit.
Die- Schwärze, die absolute Absorption jedes Lichtes wirkte wie eine Wand, vor der man unwillkürlich zurückweichen mußte. Ein schwarzer Brunnen, dachte Scott, der keinen Boden hat. Und diese gähnende Schwärze reichte ungefähr drei Meter in die Höhe und zwei Meter in die Breite. Und darum herum schimmerte etwas, das wie Metall aussah. Allerdings ein Metall, das mit einer dicken Kalkschicht überzogen zu sein schien. Der Rahmen dieses »Brunnens« war ein Artefakt. Und dieser Rahmen mußte uralt sein.
Er war schon alt gewesen, als diese Höhle noch ein offener Tempel gewesen war und auf dem Festland gestanden hatte. Und wo hatte das Tor vorher gestanden? Vielleicht auf einer Ebene, in einem Tal - unmöglich, das jetzt noch festzustellen. Scott rückte noch dichter an das Tor heran, streckte die Hand aus, um den Rahmen zu berühren. Schichten über Schichten von Kalk und Kohlenstoff, vom Regen abgelagert, in Jahrmillionen gewachsen.
Und wie lange war es schon her, daß dieser Kalkstein von den Lavamassen bedeckt worden war?
»Was ist das?« fragte er mit schwankender Stimme, »ein Spiel?«
»Kein Spiel, Lieutenant! Sie stehen vor dem Tor von Gholan. Der unbestreitbare Beweis, daß auch noch eine andere Welt existiert, zu der wir alle gehören. Eine Welt, die uns aufnehmen wird, wenn wir nach ihr verlangen. Hinter diesem Vorhang der Nacht liegt das Paradies.«
»Sie belieben zu scherzen.«
»Sie zweifeln daran?« Hna Irmuses Stimme erfüllte die Grotte mit flüsternden Echos. »Dann prüfen Sie es doch selbst nach. Treten Sie durch den Vorhang. Gehen Sie hinein in die andere Welt. Ich verspreche Ihnen, daß Ihnen bestimmt kein Leid geschehen wird.« Seine Stimme wurde drängend. »Treten Sie durch das Tor, Lieutenant. Zögern Sie nicht. Sie kamen hierher, um das Einmalige zu erleben. Treten Sie durch das Tor!«
In die totale Vernichtung? Diese schwarze Fläche absorbierte jede Energie. Was würde sie mit einem menschlichen Körper machen? Und doch war Cross nicht zu Schaden gekommen. Wenn er seiner Spur gefolgt war, hatte Cross hier ebenfalls gestanden. Trotzdem zögerte Scott noch. Da waren ihm zu viele Unbekannte im Spiel. Vielleicht war der Prior
Weitere Kostenlose Bücher