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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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müssen, und wie Homer, der in der barbarischen Zeit Griechenlands lebte, habe er ausgesuchte Martern geschildert. Die Gesellschaft sei so zerrissen gewesen, daß sprachliche Verständigung kaum möglich war; Gebärdensprache und Schreie, la lingua muta statt der lingua articolata , hätten geherrscht. Nur der Klerus sei eine einheitliche Gruppe gewesen und habe seine eigene Sprache, das Lateinische, gesprochen. Vico sagt es nicht so direkt, aber er deutet an: Dantes Höllenphantasien haben etwas Urtümliches, Phantastisches, Unreguliertes: sie klingen wie die Schreie bei Gestikulationen von Wilden, aber gerade dieses Ungeglättete und Ungeschönte sei die Wurzel der Poesie und habe zu der rohen Zeit gepaßt. Dante als poetisches Urgestein komme uns ungehobelt vor, das aber habe seinen Grund in der Unterdrückung der Phantasie und ihres Erfindungsreichtums durch die Reflexion der neueren Philosophie. Zuhörer zur Zeit Dantes hätten ihre Freude an elementaren Ausbrüchen gehabt, wie ja heute noch die weniger zivilisierten Engländer in ihren Tragödien Grausamkeiten zu schätzen wüßten. Später seien sie ihnen unerträglich erschienen. Eine Humanisierung trete schon in der Odyssee im Vergleich zur Ilias hervor. Dante ändere im Purgatorio die Tonart: Wie die Odyssee die Geduld des Odysseus feiere, so ertrügen im Purgatorio die Seelen ihre Strafen in gleichbleibender Geduld und erfreuten sich im Paradiso ewigen Friedens und Glücks (S. 319). Im Inferno lasse er seiner Phantasie freien Lauf.
    Im Jahr 1764 erschien Voltaires Dictionnaire philosophique. Es enthält einen Artikel über Dante. Dieser erzählt den Inhalt des Inferno und stellt dann fest, diese Commedia sei weder komisch noch heroisch, sondern bizarr. Voltaire spottet über die Dante-Erklärer, die sich bemühen festzustellen, wer die Personen seien, die Dante in die Hölle steckt; es wäre gar zu schlimm, wenn wir uns in einer so wichtigen Sache im Irrtum befänden. Voltaire behandelte Dante selbst mit mehr Respekt. Er habe einige Verse geschrieben, die so glücklich und so naiv seien, daß sie seit vierhundert Jahren nicht veralten konnten. Sie werden niemals veralten, ils ne vielleront jamais . Und schließlich errege eine Dichtung, die mehrere Päpste in die Hölle versetzt, ein gewisses Interesse. Voltaires Artikel endet mit einem hübsch gereimten ironischen Gedicht, das die Geschichte Guidos von Montefeltro, Inferno canto 27 (Voltaire schreibt fälschlich: 23), erzählt und sich mit Dante lustig macht über Bonifaz VIII., der im Voraus Absolution verspricht für künftige Kriegsverbrechen, die Guido in seinem Namen begehen wird. Beim Tod Guidos will der Teufel ihn holen; Guido widerstrebt dem, er sei heilig durch das Gewand des heiligen Franz und er habe bereits die Absolution des Papstes. Aber der Teufel hat in Italien genug Theologie gelernt, um zu wissen, daß eine Lossprechung nur Wert hat, wenn dieselbe Sünde nicht noch einmal begangen wird. Das sieht auch Guido ein, und er ergibt sich dem Teufel. Der erteilt ihm zwanzig Peitschenhiebe. Guido betet zu Gott, daß er diese Hiebe weitergebe an Bonifaz VIII. [930]  
    Voltaire macht aus Dantes Commedia ein komisches Stück. Dessen Spitze richtet sich nicht gegen Dante, sondern gegen die Korruption, um derentwillen Dante sowohl Guido wie Bonifaz in die Hölle steckte.
    3.
    Deutsche Philosophen: Schelling 1803
    Einen markanten Schritt im öffentlichen Nachdenken über die Commedia bildet die kleine Abhandlung von Schelling: Dante in philosophischer Beziehung, die 1803 erschienen ist. Er leitet sie mit der Bemerkung ein: Die Gegenwart ist unerfreulich, schauen wir lieber in die Vergangenheit, aber die Pointe dieses Aufsatzes besteht darin, daß die Betrachtung der Commedia wieder in die Gegenwart zurückführt. Denn die Commedia erklärt uns die Aufgabe der Kunst in der Moderne. Nicht als sei die Betrachtung der Commedia ein Teil der allgemeinen Kunsttheorie: Dantes Werk sei so einzigartig, daß es mit nichts anderem verglichen werden könne; es sei eine eigene Welt und fordere eine eigene Theorie: »ein absolutes Individuum, nichts anderem und nur sich selbst vergleichbar«. [931]   Gattungstheoretische Betrachtungen reichen nicht an sie heran; sie ist eine Gattung für sich. Man könnte zwar sagen: Das Inferno ist dramatisch, das Purgatorio episch, das Paradiso lyrisch, wie man auch sagen kann, die erste cantica sei plastisch, die zweite malerisch, die dritte musikalisch, aber das Werk ist

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