Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)
Kleinod fiel nicht aus seiner Fassung, sondern durchlief die Strahlenlinie; es sah aus wie Feuer hinter Alabaster. So liebevoll zeigte sich, wenn unser größter Dichter Glaube verdient, der Schatten des Anchises, als er im Elysium den Sohn erkannte: [631] »Oh, du mein eigenes Blut, überströmende Gnade Gottes, wem wurde je wie dir zweimal das Himmelstor aufgeschlossen?«
31 So sprach dieses Licht. Ich wandte mich ihm zu und richtete dann den Blick auf meine Herrin. Beide setzten mich in Erstaunen. Denn in ihren Augen erglühte ein solches Lächeln, daß mir war, als berührten meine Augen den Grund meiner Gnade und meines Glücks. [632] Und der Geist, den anzusehen und zu hören eine Freude war, ließ seiner Begrüßung Worte folgen, die ich nicht verstand; seine Rede war zu tief. Und nicht aus Willkür verbarg er sich mir, sondern aus Notwendigkeit, denn sein Gedanke überstieg das Ziel sterblicher Wesen. Aber dann entspannte sich der Bogen seines glühenden Gefühls. Sein Reden ließ sich herab zur Grenze unseres Intellekts, und das erste, was ich verstand, war: »Gesegnet seist du, Dreifach Einer, daß du so gütig bist zu meinem Samen.« Und er fuhr fort: »Ein langes und willkommenes Verlangen hast du, mein Sohn, erfüllt – in diesem Licht, in dem ich zu dir spreche; hergeleitet habe ich es aus dem großen Buch, in dem es schwarz auf weiß für immer steht. Dank sei der Frau, die dir zum hohen Flug die Flügel gab.
55 Du glaubst, dein Denken erreiche mich über das erste Wesen, wie sich aus der Eins, wenn man sie kennt, die Fünf und die Sechs ergibt. Darum fragst du mich nicht, wer ich bin und warum ich dir freudiger als andere aus dieser heiteren Schar entgegentrete. Und was du glaubst, ist wahr, denn alle hier, die Kleineren wie die Großen, schauen in den Spiegel, in dem, bevor du ihn denkst, dein Gedanke sich darstellt. Aber damit die heilige Liebe, in der ich wache in immerwährender Schau und die mich mit süßem Verlangen erfüllt, sich besser vollende, drücke deine Stimme sicher, kühn und froh deinen Willen, dein Verlangen aus. Meine Antwort darauf ist schon beschlossen.« Ich wandte mich zu Beatrice. Sie verstand, bevor ich sprach. Ihr Lächeln gab mir einen Wink; er ließ die Flügel meines Wollens wachsen. Darauf begann ich so: »Die absolute Gleichheit steht euch vor Augen, daher bekommen Liebe und Einsicht für jeden von euch das gleiche Gewicht. Denn die Sonne, die euch erleuchtete und die euch mit Wärme und Licht erfüllte, ist von solchem Gleichmaß, daß alle Vergleiche versagen. Aber in den Sterblichen sind Verlangen und Einsicht, aus dem Grund, den ihr kennt, verschieden beflügelt, und ich, der ich sterblich bin, befinde mich in dieser Ungleichheit. Daher danke ich von Herzen für die väterlich-freundliche Begrüßung. Inständig erbitte ich von dir, du lebender Topas, du Juwel in diesem kostbaren Geschmeide, erfülle mein Verlangen nach deinem Namen.« »Du frischer Sproß von mir, an dem ich Wohlgefallen hatte schon beim bloßen Erwarten: Ich war deine Wurzel.« So begann er seine Antwort. Dann sagte er mir: »Der Mann, nach dem deine Familie heißt und der jetzt hundert Jahre und mehr den Läuterungsberg auf dem ersten Rund umkreist hat, war mein Sohn, dein Urgroßvater. [633] Es gehört sich wohl, daß du ihm die lange Mühsal verkürzt mit guten Werken.
97 Fiorenza im alten Mauerring,
in dem ihr heute noch die Terz und Non ertönt,
lebte in Frieden, nüchtern und keusch.
Sie besaß kein Kettchen, keine Krone,
keine perlengeschmückten Röcke, keinen Gürtel,
der mehr ins Auge stach als die Frau.
103 Noch weckte eine Tochter bei der Geburt dem Vater nicht Angst,
denn Zeit und Mitgift überschritten weder nach oben noch nach unten das Maß.
Noch gab es keine Häuser, die leer waren von Familie,
Sardanapal war noch nicht angekommen,
um zu zeigen, was man im Schlafzimmer alles machen kann. [634]
Noch war Montemalo nicht übertroffen von eurem Uccellatoio,
aber wie er beim Aufstieg übertroffen ist, so wird er es im Fall sein. [635]
112 Ich sah Bellincion Berti, wie er einherging mit einem Gürtel
aus Leder und einer Schnalle aus Knochen;
seine Frau kam vom Spiegel und war nicht geschminkt.
Ich sah einen Nerli und einen Vecchio,
die sich zufrieden gaben mit ungefüttertem Pelz
und ihre Frauen mit Spindel und Rocken. [636]
118 Oh, was glückliche Frauen!
Jede war sicher, wo sie begraben würde,
und keine lag wegen Frankreich
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