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Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition)

Titel: Commedia und Einladungsband: I.Commedia. In deutscher Prosa von Kurt Flasch II.Einladung, Dante zu lesen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dante Alighieri , Kurt Flasch
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wandten sich schnell ihm zu.
    106   Aber ich will, Leser, dich nicht dadurch bei guten Vorsätzen entmutigen, daß du jetzt hörst, wie Schuld nach Gottes Willen bestraft wird. Achte nicht auf den Charakter der Marter, sondern bedenke die Folge. Denk, daß sie selbst im schlimmsten Fall nicht über den großen Urteilstag hinausgeht.
    112   Ich begann: »Meister, was ich da gegen uns herankommen sehe, das sind doch keine Menschen. Ich weiß nicht, was das ist, so verwirrt mich ihr Anblick.« Und er zu mir: »Die schwere Art ihrer Marter beugt sie zu Boden. Anfangs zweifelten auch meine Augen. Aber schau genau hin und löse mit den Augen heraus, was dort unter Felsbrocken herankommt. Schon kannst du sehen, wie alle sich quälen.«
    121   O ihr stolzen Christen! Ihr armen Elenden! Ihr schaut mit krankem Geist! Ihr baut auf Schritte, die zurückführen! Seht ihr denn nicht, daß wir unserer Natur nach Raupen sind, dazu bestimmt, ein Engel-Schmetterling zu werden, der ungehindert auf die Gerechtigkeit zufliegt?
    127   Warum überhebt euer Geist sich? Ihr seid doch fast nur Zufallsprodukte voller Mängel, wie eine Raupe, in der die Formkraft versagt.
    130   Manchmal sieht man eine Figur, die ihre Knie an die Brust zieht als Konsole, die einen Balkon stützt oder ein Dach. Das löst Schmerz aus in dem, der es sieht, auch wenn es nicht wirklich ist. In dieser Lage sah ich, als ich genauer hinsah, die Leute. Sie waren in Wirklichkeit mehr oder weniger zusammengedrückt, je nachdem, ob sie mehr oder weniger auf dem Buckel hatten, aber der in der Haltung am meisten Ausdauer zeigte, schien weinend zu sagen: ›Ich kann nicht mehr.‹

Canto 12
Dante setzt die Wanderung mit den Stolzen fort. Er sieht im Pflaster Reliefs mit den Beispielen bestraften Hochmuts: den Sturz Luzifers, die Bestrafung der Giganten, den Fall Trojas. Ein Engel führt die beiden zum Aufgang des zweiten Kreises. Er tilgt das erste P auf der Stirn Dantes, das Zeichen der Schuld.
    1   Gleich zu gleich, wie Ochsen, die unterm Joch gehen, ging ich mit jener beladenen Seele, solange mein lieber Erzieher es duldete. Aber als er sagte: »Laß ihn und geh weiter, denn hier muß jeder mit Segel und Ruder sein Boot voranbringen, soviel er eben kann«, da richtete ich mich wieder auf, wie das Gehen es verlangt, auch wenn die Gedanken gebeugt und bedrückt blieben. Schon war ich aufgebrochen und folgte gern den Schritten meines Lehrers; wir fühlten beide, daß wir beschwingter gingen. Und er sagte zu mir: »Schau auf den Boden. Es wird dir guttun und den Weg erleichtern, das Bett deiner Sohlen zu sehen.« Wie auf Grabplatten, die am Boden über Begrabenen liegen, die dargestellt sind wie sie früher waren, weshalb sie dort viel beweint werden – die Erinnerung schmerzt, spornt fromme Seelen aber an –, so sah ich dort, wo der Weg vom Berg nach außen vorspringt, Gestalten, doch von größerer Ähnlichkeit und Kunst.
    25   Ich sah auf der einen Seite den, der als vornehmstes Geschöpf geschaffen war; er fuhr wie ein Blitz vom Himmel. Auf der anderen Seite sah ich Briareos liegen, vom himmlischen Pfeil durchbohrt, schwer auf der Erde, totenstarr und kalt. [324]  
    31   Ich sah Apollo, Athene und Mars, noch in Waffen, wie sie ihren Vater umstanden und auf die zerstreuten Glieder der Giganten starrten.
    34   Ich sah Nimrod am Fuß des gewaltigen Bauwerks, der ganz verwirrt die Leute ansah, die mit ihm in Babel voll Hochmut waren.
    37   O Niobe, ich sah dich am Boden des Wegs abgebildet, mit trostlos verweinten Augen zwischen deinen zweimal sieben getöteten Kindern!
    40   O Saul, tot standst du mir vor Augen, in dein eigenes Schwert gestürzt in Gilboa, das seitdem weder Regen noch Tau sah.
    43   O törichte Arachne, ich sah dich schon halb als Spinne, traurig auf den Fetzen des Werks, das dir kein Glück brachte.
    46   O Roboam, offenbar bedrohst du hier dein Marmorbild nicht mehr. Aber voll Entsetzen trägt ein Karren es fort, den niemand verfolgt.
    49   Der harte Boden zeigte noch, wie teuer Alkmaion seiner Mutter den Unglücksschmuck zu stehen kommen ließ. Er zeigte, wie die Söhne mitten im Tempel sich über Sanherib stürzten und den Ermordeten dort liegen ließen. Er zeigte den Sturz und die grausame Schändung des Kyros, die Tomyris anrichtete, indem sie sagte: »Nach Blut hast du gedürstet. Ich tränke dich mit Blut.« Er zeigte, wie die Assyrer in Massen flohen, nachdem Holofernes ermordet war, und was von ihm übrigblieb nach

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