Commissaire-Llob 1 - Morituri
möchte ich seiner Kloschüssel von Schädel eintrichtern, daß ich nicht etwa einen Befehl ausführe.
»Kommissar, ich möchte …«
»Damit wir uns gleich richtig verstehen, Herr Direktor«, unterbreche ich ihn trocken. »Wenn es nur darum geht, uns weiter zu streiten, dazu bin ich nicht in Stimmung.«
Seine Nasenflügel beben. Er bleibt aber cool.
»Merkst du denn nicht, daß der Herr Direktor dir entgegenkommt?« schaltet sich Bliss ein und betrachtet seine Fingernägel.
»Du Zwerg, halte du dich da raus, wenn du nicht willst, daß ich dich in den Abfluß stopfe, bis die Ratten alles Mark aus deinen Knochen gesaugt haben.«
Bliss weicht zurück und verstummt. Seine Augen verengen sich. Das bedeutet, daß er gerade nachdenkt. Und wenn Bliss nachdenkt, hält selbst der Teufel den Atem an.
Der Direktor wird ungeduldig, ermahnt uns, wir sollen uns benehmen. Nach einem tiefen Seufzer verkündet er: »Mourad Atti wurde heute morgen in die Beobachtungsstation des Sicherheitsbüros zurücküberstellt.«
»Ich bin mit ihm noch nicht fertig.«
»Das macht nichts. Die Jungs von der BdS haben mir versprochen, uns zu verständigen, wenn sie was finden, was mit unserem Fall zu tun hat.«
Ich erhebe mich. »Kann ich gehen?«
»Natürlich …«
Ich streiche meine Weste glatt, mache ein paar Schritte auf die Tür zu. Seine Stimme hält mich zurück: »Kommissar …«
Ich bleibe stehen, ohne mich jedoch umzudrehen.
Der Direx steigt von seinem Thron herab und kommt auf mich zu. Seine sorgsam manikürte Purpurhand legt sich auf meine Schulter und zieht sich dann wie unter Elektroschock zurück. Er geht mir zur Tür voraus und flötet, während er die Klinke liebkost: »Hast du heute etwas Besonderes vor?«
»Kommt darauf an.«
»Wenn es dir nicht allzuviel ausmacht, schau doch auf einen Sprung bei unserem Freund Ghoul vorbei.«
»So ein Pech aber auch: heute morgen habe ich meine Stange zerbrochen.«
»Was heißen soll?«
»Daß Schluß damit ist. Ihr Kumpel sollte besser einen Privatdetektiv engagieren. Diese Sexgeschichten stinken dermaßen, daß ich dabei kaum klar denken kann. Suchen Sie sich jemand anderen für diese Drecksarbeit.«
»Das find’ ich überhaupt nicht witzig!« lamentiert der Chef.
»Hab ich ja von Anfang an gesagt.«
Lino bringt mich nach Hause. Er bearbeitet das Lenkrad, vermeidet es, mich anzusehen. Gut und gerne zwanzig Minuten fahren wir, und noch immer absolutes Schweigen. Er weiß, daß ich einen Haufen Leute gegen mich aufgebracht habe, und das setzt ihm ganz schön zu.
»Diese Kerle sind Bulldozer«, warnt er mich.
»Mir egal.«
»Was willst du jetzt tun?«
»Mich auf meine Pension vorbereiten. Für Erniedrigungen bin ich zu alt.«
Lino wedelt energisch mit dem Finger. »Das ist nicht der richtige Moment, Kommy. Wir haben Krieg. Man wird dich wie einen Deserteur behandeln.«
»Mir egal.«
»Und deine Karriere, Kommy? Du wirst doch jetzt nicht aufgeben, wo du so kurz davor stehst, Abteilungsleiter zu werden.«
Ich bremse ab. »Die echte Karriere eines Mannes, Lino, ist seine Familie. Im Leben hat es der zu etwas gebracht, der es bei sich zu Hause zu etwas gebracht hat. Der einzig wahre und gesunde Ehrgeiz besteht darin, stolz auf seine Familie zu sein. Der Rest, der ganze Rest, Beförderung, Aufstieg, Ruhm, ist nichts als Schaumschlägerei, Flucht nach vorn, Ablenkung vom Wesentlichen …«
Das verschlägt Lino die Sprache.
Ein Unglück kommt selten allein. Dazu fehlt ihm der Mumm. Es braucht stets einen zweiten Schicksalsschlag, der ihm hilft, einem den Boden unter den Füßen wegzuziehen.
Als ich nach Hause komme, stolpere ich im Vorzimmer über zwei Koffer. Mein ältester Sohn steht im Gang, traurig, aber entschlossen. Am schluchzenden Gesicht seiner Mutter sehe ich, daß er sich endgültig entschlossen hat auszuziehen. Seit einer Ewigkeit geistert der Gedanke, von hier abzuhauen, in seinem Kopf herum. Algier ist ihm zur Zwangsjacke geworden. Das Viertel seiner Kindheit hält ihn nicht mehr. Bei meinem Anblick schlägt er die Augen nieder.
Er schluckt: »Tut mir leid, Papa.«
»Nicht deine Schuld, mein Sohn.«
Er ist der Sohn eines Polizisten. Nach den Regeln der Fundamentalisten verdient er dasselbe Schicksal wie sein Vater. Nicht wenigen Kindern hat man die Kehle durchgeschnitten, nur weil ihre Eltern Soldaten oder Polizisten waren. Ich bin fast erleichtert, daß er sich zu einer Luftveränderung entschieden hat.
»Sei mir nicht allzu böse,
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