Commissaire-Llob 1 - Morituri
zerfusselt und dampft vor Hitze. Erschöpft sinke ich in einen Sessel, um mich zu erholen.
»Und wenn wir Artikel 220 des Schnellverfahrensrechts ausprobierten?« schlägt Lino keuchend vor.
Obwohl er völlig groggy ist, schafft Omar es noch, die Stirn zu runzeln.
»He, was ist das für ein Ding, kho? Ich bin kein Versuchskaninchen.«
Lino reißt den Fernsehstecker heraus und beginnt umständlich, den Draht herauszuschälen.
»Hast du schon mal versucht, dein Arschloch mit der Beißzange zu enthaaren …? Nein? Wie soll ich dir dann Artikel 220 des SVR erklären?«
Omar Malkom kann nicht mehr. Er ringt nach Luft. Mit einer schlappen Handbewegung winkt er dem Leutnant, den Kram wieder zusammenzupacken.
»Schon gut, kho, ich gebe auf. Gott ist mein Zeuge: ich habe bis zum Ende meiner Kräfte durchgehalten.«
»Der Teufel ist sicher mächtig stolz auf dich.« Omar ist kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Widerstandslos beginnt er auszupacken.
»Slimane behauptet, du hättest Sabrine Malek umgebracht.«
»Falsch. Es stimmt, daß ich sie eingesperrt habe, aber ich habe sie nicht getötet.«
»Und warum wurde sie entführt?«
»Das ist die Schuld von Mourad Atti. Er hätte sich nicht in dieses Biest vergaffen sollen. Sie gehörte nicht zum Harem. Im Club sind die Anweisungen klar. Keine von draußen … Mourad hatte sich vom naiven Gehabe dieser Nutte einwickeln lassen. Und dann hat es sich herausgestellt, daß sie keine normale Nutte war. Sie war ein Lockvogel. Irgendwer hatte sie eingeschmuggelt, um bis zum Guru vorzudringen. Abou Kalybse hatte die Lage gecheckt. Er ließ die Kleine entführen. Sie blieb eine Woche in einer Baracke eingesperrt. Dann wurde sie abgeholt. Ich habe sie nie wieder gesehen.«
»Mourad wurde wegen dieser Unvorsichtigkeit eliminiert.«
»Er fing an, zu oft zu stolpern. Das war nicht ratsam in einer Familie von Seiltänzern, wie der Club es ist. Von Anfang an hatte ich das Gefühl, daß wir uns auf des Messers Schneide bewegten. Aber es gibt dabei keinen Rückwärtsgang.«
»Wußtest du, wer Sabrine war?«
»Die Tochter eines ehemaligen Manitus. Sie selbst hat es mir gesagt. Ich konnte nichts für sie tun. Im Schützengraben hält man seinen Helm und seine Feldflasche fest. Den Rest vertraut man der Fürsorge Gottes an.«
»Wer waren die zwei Typen, die sich für Beamte des BdS ausgegeben haben?«
»Keine Ahnung. Abou Kalybse hat seine Spitzel überall.«
»Was genau sind die Leitlinien eures Clubs?«
»Was meinst du …?«
»Wer seid ihr? Fundamentalisten? Eine Art Mafia? Was habt ihr für eine Ausrichtung? Politisch, mystisch, religiös …?«
Er fährt sich mit dem Arm über seine blutigen Lippen, befühlt seine Zähne. Seine Brust hebt und senkt sich schwer.
»Keine Ahnung. Ich brauchte Geld. Vom ersten, der mir welches geboten hat, habe ich mich anheuern lassen. Unser Club kümmert sich um Intellektuelle. Andere um Industrielle. Wieder andere um Magistratsbeamte. Der Krieg ist ein gefundenes Fressen für alle, die noch eine Rechnung offen haben oder mal gründlich aufräumen wollen. Persönlich habe ich nichts gegen die Gebildeten. Ich weiß nicht einmal, wofür sie stehen … Ich halte mich an das Geld, kho. Man schickt mir ein Fax: die und die Summe für den und den. Ich lasse ihn eine Quittung unterschreiben und schicke sie per Fax zurück, dann gehe ich nach Hause. Nicht, daß es mir gleichgültig wäre, ich habe mir nur keine besonderen Vorwürfe zu machen. Ich bin ein Schalterbeamter, ein einfacher Geldautomat … Ich habe einen tierischen Horror vor Feuerwaffen.«
»Wo versteckt sich unser Mann?«
Er drückt vorsichtig seine Faust an die aufgeplatzte Lippe und gurgelt: »Pavillon 17, Cite Deheb, an der Küstenstraße.«
Nach beendeter Teufelsaustreibung beginnt er nervös zu schluchzen. Ich greife zum Telefon und rufe im Büro an. Bliss ist dran.
»Was treibst du denn in meinem Büro?«
»Ich kam gerade vorbei und hörte das Telefon läuten. Weil niemand abgehoben hat, da …«
»Ich habe dir schon hundertmal gesagt, daß du nicht um meinen Schreibtisch herumschleichen sollst, wenn ich nicht da bin … Also paß auf, einen Gitterwagen in die Avenue des Freres Adou, Nummer 162. Ein ganz gefährlicher Hund. Verhaften und zu keinem ein Wort davon!«
»Nicht mal zum Herrn Direktor?« fragt er kriecherisch.
»Einen Gitterwagen, und zwar ein bißchen plötzlich!«
Die Cite Deheb, die »Stadt des Goldes«, hat kein reines Gewissen. Sie versteckt sich hinter
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