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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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    Er beginnt vorzulesen: »Gott vermag die Lage eines Volkes nur zu verbessern, indem er seine Mentalität korrigiert.«
    »Vielleicht sollte man lieber die Ihre korrigieren.«
    »Ich denke nicht. Wenn ich all diese degenerierten Bastarde sehe, die unsere Städte überfluten, diese amerikanisierten Jugendlichen, diese Intellektuellen, die sich anstrengen, uns eine Kultur einzutrichtern, die nicht die unsere ist, und uns allen Ernstes glauben machen wollen, daß ein Verlaine zehn Chawqis aufwiegt und ein Pulitzer zehn Aqqads, daß Gide die reine Wahrheit und Tawfik Al-Hakim ein Nichts ist, daß die Transzendenz abendländisch ist und es Rückschritt bedeutet, zum Arabischen zurückzukehren, dann tue ich nur das, was Goebbels angesichts Thomas Manns auch getan hätte: ich ziehe die Pistole.« [* Ahmed Chawqi (auch Chawki oder Shawki), 1868-1932, Abbas Mahmud Al-Aqqad (auch Akkad), 1889-1964, Hussein Tawfik Al-Hakim, 1899-1987: ägyptische Dichter, drei der bedeutendsten Autoren der modernen arabischen Literatur. Al-Aqqad, berühmt wegen seines virtousen Umgangs mit der arabischen Sprache, war auch als kritischer Publizist hoch angesehen, deshalb hier der Vergleich mit Pulitzer.]
    Er verstaut seine Blätter in einer Mappe, legt sie in eine Schublade. Dann blickt er auf. »Sollte man den Dämon austreiben oder ihn zähmen …? Es mußte eine Entscheidung getroffen werden. Und ein Dämon läßt sich nicht zähmen.«
    Ich zeige auf die Porträts: »Das waren weder Dämonen noch Verrückte, Sid. Das waren einfache, ehrliche, brave Leute. Sie hatten Kinder, Hoffnungen, legitime Ansprüche und wollten niemandem etwas Böses.«
    »Dummes Zeug! Als ich gegen die Kolonialherren zu den Waffen gegriffen habe, war das nicht zum Vergnügen. Ich habe von einem algerischen Algerien geträumt mit Koranschulen und Moscheen und turbantragenden Gelehrten. Von einem Land, das stolz ist auf seine Identität, seine Geschichte, seine Erde, unverwechselbar unter Tausenden; stolz auf die Vielfalt seiner Dialekte, seine Sprache, seine Traditionen … Und was sehe ich? Algier ist so verdorben wie jede Metropole jenseits des Meeres, ein Volk ohne Charakter, häretische Universitäten, ein Schicksal von tödlicher Trivialität.« Er deutet verächtlich auf seine Opfer: »Das waren keine braven Leute, Llob. Sie waren hinterhältig, arglistig, zerstörerisch. Die reinsten Motten. Sie waren unsere Feinde, Verräter. Sie standen im Sold der Abtrünnigen, waren Handlanger des Teufels.«
    »Ai’t Meziane hatte kaum was zum Beißen. Er hat seine Schulden mit ins Grab genommen.«
    »Er war ein mieser Gaukler. Er verkörperte die Person des zersetzenden, zynischen, negativen Algeriers, den wir alle ablehnen … So konnte das nicht weitergehen. Es war zuviel des Lächerlichen. Der Wald mußte niedergebrannt werden, um Platz für einen neuen zu schaffen, ohne Ratten und Schmeißfliegen, schädlingsfrei und widerstandsfähig …«
    Kein Zweifel, der Mann, der da mit mir redet, ist verrückt. Ich betrachte seine Wangen, seine glitzernden Augen, den Schweiß, der ihm über die Schläfen rinnt, seine Finger, die so zittern wie seine Stimmbänder .
    »Du warst es doch, der die sicheren Werte immer verabscheut hat, Sid, du bist der lebende Widerspruch. Ich habe dich nur als Spielverderber gekannt, nachtragend, mürrisch, allergisch gegen gute Laune. Der Erfolg der anderen hat dich immer nur gestört. Du hast ihr Talent als persönliche Beleidigung empfunden. Nur weil du der geborene Pechvogel bist, hat in deinen Augen nichts einen Wert. Du sprichst von deinen Träumen und läßt Alpträume wahr werden. Eine gräßliche Spinne, die in den Tiefen ihres Netzes lauert: das bist du und sonst nichts. Neidisch auf jeden Schriftsteller, jeden Künstler, der dir die Schau stiehlt. Dein Leben lang wolltest du die Welt überflügeln, über sie erstrahlen, aber nicht durch dein Genie - davon hast du keinen Funken -, sondern durch die zerstörerische Flamme deines Hasses, du, der Schreibknecht der Tyrannen, eingesetzt nicht um zu lehren und Orientierung zu geben, sondern um die wahre Elite zu sabotieren, so wie ein einziger kranker Baum den ganzen Wald verderben kann. Wer der Lüge dient, verfängt sich in ihr. Deine Freunde aus dem alten Regime haben dich, deinen Egozentrismus, deinen Größenwahn nur benutzt. Sie haben dich gegen deine natürlichen Verbündeten und gegen dich selbst aufgebracht. Sie haben dich an den Höhenrausch gewöhnt und dann auf einer Wolke

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