Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Die Spekulationen bezüglich der wahren Identität des Autors waren nicht mehr zu bremsen. Doch ist es Yasmina Khadra, »der« heute zu den bekanntesten frankophonen Autoren Algeriens zählt, bislang gelungen, sein Geheimnis zu wahren; noch immer wissen nur wenige Eingeweihte, wer sich hinter dem Pseudonym verbirgt. Und das ist gut so, denn die Anonymität ist für den Autor, der nach wie vor mit seiner Familie in Algerien lebt, überlebensnotwendig.
Frau Beate Burtscher-Bechter von der Universität Innsbruck, der der Haymon-Verlag den Kontakt mit Yasmina Khadra und die Kenntnis »ihrer« Bücher noch vor deren Veröffentlichung in Frankreich zu danken hat, konnte mit dem Autor, der sonst in nächster Zeit schweigen will, im August 2000 folgendes Interview führen:
Seit dem Erscheinen von Morituri gab es immer wieder Spekulationen und Gerüchte, wer sich hinter dem Namen Yasmina Khadra verbirgt. Die Wahl eines weiblichen Pseudonyms wurde oft als geschickter Schachzug deines französischen Verlegers bezeichnet, besteht im Augenblick doch eine große Nachfrage nach Romanen von Frauen, die dem islamischen Kulturkreis angehören. Vor ungefähr einem Jahr hast du in einem Interview deine männliche Identität preisgegeben. Warum hast du das getan und warum gerade zu diesem Zeitpunkt?
Zunächst muß ich sagen, daß die Wahl eines Pseudonyms weder ein Spiel noch eine Verlagstaktik war, sondern eine absolut notwendige und in meinem Fall sogar zwingende Entscheidung. Ich habe auch keine Gelegenheit ausgelassen, die Gründe dafür zu erläutern. Wie man sich leicht vorstellen kann, ist ein algerischer Autor, der es wagt, in einem Ameisenhaufen herumzustochern, einem großen Risiko ausgesetzt. Dennoch und trotz der angespannten Situation, die in meinem Land herrscht, haben manche bedauerlicherweise nicht aufgehört mich zu drängen, wenigstens meine männliche Identität preiszugeben. Ich weiß bis heute nicht, was mich dazu brachte, dem nachzugeben. Vielleicht tat ich es, weil ich müde und deprimiert war, vielleicht war es aber auch einfach eine Geste, die sich an all jene richtet, die meine Bücher mögen. Meine nächsten Freunde und Verwandten waren mit meinem Verhalten absolut nicht einverstanden und haben diesen Schritt als dumm und unnötig bezeichnet. Ich bin mir bewußt, daß ich ungeschickt gehandelt habe, und hätte mir gewünscht, daß man meine Anonymität respektierte. Leider scheint mein Zugeständnis die Gemüter auch nicht beruhigt zu haben, und die Spekulationen gehen fröhlich weiter; so ist auch meine Entscheidung zu verstehen, nichts mehr zu publizieren, bis ich die Möglichkeit habe, unter meinem richtigen Namen an die Öffentlichkeit zu treten.
Wie kommt es, daß du ein weibliches Pseudonym gewählt hast, um deine Romane zu veröffentlichen? Als ich 1995 mit meinem nunmehrigen österreichischen Verleger in Kontakt trat, kümmerte sich, um mich zu schützen, meine Frau um meine Karriere als Schriftsteller. So mußte der Verleger annehmen, es mit einer weiblichen Autorin zu tun zu haben, was wiederum ein weibliches Pseudonym suggerierte. Es war also mehr ein Zufall. Heute bin ich stolz darauf, daß meine Romane unter einem weiblichen Namen erscheinen. Die algerischen Frauen haben während der gewaltsamen Auseinandersetzungen mit den Islamisten, die mein Land noch immer erschüttern, viel gegeben und auch viel verloren. Ihre Tapferkeit ist einzigartig. Die deutschsprachigen Leser, die nur wenig über den täglichen Horror wissen, der die Algerier jeden Morgen erwartet, können sich nur schwer vorstellen, welchen Mut unsere Frauen, Mädchen und Mütter aufbringen, wenn sie sich dem Terror-Regime der Islamisten, den Täuschungen der Scharlatane und den Grausamkeiten der Kindermörder widersetzen. Es gibt ganz unterschiedliche Gründe, die Menschen zu Schriftstellern werden lassen. Gab es in deinem Leben ein bestimmtes Ereignis, das dich zum Schreiben bewog? Ich bin so zum Schreiben gekommen, wie man auf die Welt kommt, nämlich auf die natürlichste Art und Weise. Von frühester Kindheit an beneidete ich die Libellen, bewunderte die Vögel, und der geringste Schimmer am Himmel faszinierte mich. Schon damals bemerkte ich, daß irgendwo in meinem tiefsten Inneren ein Griot [ In der oralen Tradition Schwarzafrikas ein Dichter und Musiker, der die Mythen und die Geschichte(n) eines Stammes bewahrt und weitergibt, dem aber auch spirituelle Fähigkeiten zugeschrieben werden.] an seinen Sätzen feilt. Ich
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