Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Dine mit fiebernder Stimme aus. »Madame Zhor Rym, die schönste Witwe von ganz Algier.«
»Ich kenne sie.«
»Du kennst sie wirklich?«
»Naja, wie man sich so kennt.«
Er zerquetscht mir fast das Schulterblatt: »Machst du mich mit ihr bekannt?«
»Du hast eine prima Frau, Dine. Fände ich nicht gut, wenn du das vergißt.«
Er zerknüllt seine Serviette und zieht schmollend seinen Oberkörper zurück.
Hinten im Saal macht Haj Garne dem Lakai Zeichen näherzukommen, flüstert ihm etwas ins Ohr und steht auf. Er umrundet umständlich den Tisch, um Soraya K. beim Aufstehen behilflich zu sein. Seine Galanterie nach Art einstiger Eseltreiber ist so umwerfend, daß fast ein Gedeck dabei zu Bruch gegangen wäre.
Soraya blitzt ihn schwarzäugig an und schwebt, ganz große Dame, davon. Haj Garne, leicht verstört, checkt schnell ab, ob die am Nachbartisch auch nichts gemerkt haben, dann hastet er hinter seiner Gefährtin her.
Soraya rauscht hochnäsig an mir vorbei, während Haj Garne stehenbleibt, um Dine zu begrüßen, und dann meinen Jackenkragen anspricht: »Entzückt zu hören, daß sie dich rausgeschmissen haben, Llob. Da kriegt man ja fast Respekt vor der Polizei.«
»Wenn es dir Spaß macht.«
»Und ob! Es kommt mir jedesmal, wenn ich nur daran denke! Llob gefeuert, was braucht’s mehr zum Glück?«
Er breitet die Arme aus zum Zeichen äußerster Glückseligkeit und jubelt drauflos: »Einfach geil …!«
»Und dein Dinner, das läßt du sausen wegen mir?«
»Dir kann man nichts vormachen. Ich hielt den Ort hier bisher für clean.«
Er reibt sich die Hände. Das Geräusch, das seine rauhen Handflächen dabei von sich geben, klingt einfach abstoßend.
»Soso, Yasmina Khadra nennst du dich jetzt! Damit wolltest du wohl die Jury vom Prix Femina verführen und deine Gegner gleich mit hinters Licht?«
»Dem Mut der Frauen wollte ich meinen Respekt bezeugen. Wenn es überhaupt jemanden in unserem Lande gibt, der nicht den Schwanz einzieht, dann die algerische Frau.«
Sein Gesicht verzieht sich zu einer häßlichen Fratze: »Willst du die Wahrheit wissen, Llob? Du bist einem Transvestiten aufgesessen!«
»Komm endlich!« ruft Soraya ihm von der Treppe aus zu.
Haj Garne bittet sie um noch etwas Geduld, kramt eine Visitenkarte hervor und legt sie mir auf den Teller: »Man kann nie wissen! Wenn du mal Lust hast, Nachtwächter zu spielen, kannst du dich melden. Ich habe am Stadtrand zwei leere Lagerhallen stehen.«
Er schaut mich sechs Sekunden lang schief an, sagt noch: »Mann, geht’s mir heute prächtig!« Und trabt seiner Schickse ins Treppenhaus nach.
»Mir hat es ungemein gefallen«, piepst Madame Rym, deren Kinn noch immer auf ihren Krällchen ruht, während ihr Blick nach wie zur Decke geht.
Weder Dine noch mir ist klar, ob sie sich an uns gewandt oder einfach nur laut gedacht hat. »Wie bitte, Madame?«
Ihre riesengroßen Vestalinnenaugen senken sich auf mich herab.
»Ich sagte, daß es mir ungemein gefallen hat, Monsieur Llob. Ich spreche von Morituri«
»Zu liebenswürdig von Ihnen.«
»Es ist nicht meine Art, hinter Türen zu lauschen, aber dieser Flegel hat ja so laut geredet, daß das ganze Restaurant mithören konnte.«
»Vermutlich, weil er etwas schwerhörig ist.«
»Und schwer von Begriff dazu.«
»Kein Grund zur Sorge: das war bei dem schon immer so.«
Sie flechtet ihre Finger auseinander und wendet uns ihr Gesicht zu. Faszinierend, mit welcher Eleganz sich ihr Hals wie in Zeitlupe dreht. Ein wahres Wunder, diese Frau. Die Raffinesse ihrer Toilette und die Anmut ihrer Bewegungen fügen ihrer Schönheit jenes gewisse Etwas hinzu, durch das ein Meisterwerk sich von der Fälschung unterscheidet.
»Möchten Sie nicht an unseren Tisch übersiedeln, Madame Rym?« schlägt Dine vor.
»Sehr freundlich von Ihnen. Aber ich bin bereits verabredet … Dessen ungeachtet, Monsieur Llob, würde ich mich freuen, wenn Sie mich besuchen kämen, falls es Sie eines Tages mal nach Hydra verschlägt. Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal Gelegenheit zu haben, mit Ihnen zu plaudern. Ich verehre die Schriftsteller.«
»Wir werden nicht versäumen, bei Ihnen vorbeizuschauen!« flötet Dine mit erstaunlich melodischer Stimme.
»Am Montag gebe ich einen kleinen Empfang. Nichts Besonderes, ein schlichtes Treffen unter Freunden.«
»Um nichts in der Welt würden wir das verpassen wollen«, verpflichtet Dine sich feierlich.
»Na, wunderbar, dann bis Montag, ab zwanzig Uhr.«
Sie lächelt und
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