Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären
Abgeklärtheit. Nehme plötzlich wachen Sinnes den Luftzug wahr, der sein Hemd leise bläht, den Schweiß, der um seinen Nabel perlt, den Schatten um seine Augen und dazu diese Unbekümmertheit, die von seinen schlenkernden Armen ausgeht und mich, als wär’s ein Zeichen, ermutigen will, die Dinge mit größerer Gelassenheit anzugehen. »Danke«, sage ich.
5
»Dein Pech, wenn du dich über meinen Besuch nicht freust!« schleudert Dine mir entgegen und fährt wie ein Tornado zur Tür herein. »Zwei volle Stunden habe ich im Cafe gewartet, und wer nicht kam, warst du. Da gibt’s nur zwei Möglichkeiten, habe ich mir gesagt: Entweder der Vollidiot hat in seinem Badezimmer Harakiri begangen, oder ich bin sein alter Kumpel nicht mehr. Ich bin hergekommen, um mir Klarheit zu verschaffen.«
Er schiebt mich mit der Hand zur Seite, inspiziert die Zimmer, kommt zurück und drängt mich durch den Korridor.
»Auf den ersten Blick«, stellt er fest, »kein Grund zur Panik. Keine demolierten Möbel, keine zerschlagenen Fensterscheiben. Was beweist, daß du hart im Nehmen bist, worüber ich froh bin … Und jetzt?« fügt er hinzu und breitet die Arme aus, »wollen wir hierbleiben und Trübsal blasen, oder wollen wir lieber essen gehen?«
Ohne meine Antwort abzuwarten, nimmt er meine Jacke vom Stuhl und drückt sie mir in die Hand … »Ganz schön triste bei dir. Komm, wir gehen uns amüsieren und pfeifen den Bullen eins.«
Ich mache Anstalten, mich zu zieren. Seine Schlägerfaust befördert mich ins Treppenhaus. »Sonst verpassen wir noch den Höhepunkt des Spektakels, mein Lieber.«
Im Handumdrehen befinde ich mich auf der Straße.
Dine schubst mich in eine fette, funkelnde Limousine, schwingt sich hinters Lenkrad und ruft: »Na, wie gefällt dir meine Kutsche? Jetzt bist du erst mal platt, was? Hast wohl erwartet, mich tagsüber Rosenkranz beten und abends in den Kneipen rumhängen zu sehen? Fehlanzeige! Mit dem Ruhestand hat ein neues Leben begonnen, ein zweiter Frühling. Rassehengste sterben mitten im Orgasmus, mein Schatz. Das Alter ist bloß was für Maulesel und Ackergäule.«
Dine ist derart enthusiastisch, daß ich mich am Ende wirklich etwas entspanne. Ich lasse mich in den Sitz fallen und atme tief durch. Der Wagen spurt lautlos über den Asphalt. Am Himmel, an dem es millionenfach funkelt, lacht der Mond. Ich schließe die Augen und gestatte dem Fahrtwind, mein Haar zu zerzausen und mein Hemd aufzuplustern.
Dine führt mich ins Corail, ein pompöses Luxusrestaurant inmitten eines vier Hektar großen Parks, den gepflasterte Alleen und schmiedeeiserne Laternenpfähle durchziehen. Das Meer ist gleich nebenan, mit einem paradiesischen Streifen Strand voller Felsskulpturen. Einige Pärchen schlendern laut lachend über den feinen Sand, nur in den Winkeln, in die kein Scheinwerfer reicht, verstummen sie kurz. Wir stellen den Wagen auf dem Parkplatz ab und erstürmen eine Eingangshalle, die nicht minder blitzt und funkelt als der monströse Kronleuchter, der von der Decke strahlt. Hinter einem Tresen aus granatrotem Mahagoni fingert der Empfangschef erst einmal seine Fliege zurecht, bevor er uns mit einem Lächeln bedenkt, dessen Professionalität etwas Beunruhigendes hat.
»Guten Abend, Monsieur Dine. Welch eine Freude, Sie heute abend unter unseren Gästen begrüßen zu dürfen!«
Er schiebt seine Hand auf eine Klingel. Alsbald kommt von man weiß nicht woher ein Vogel angestelzt, der steif und hochmütig dreinblickt. »Ist Monsieur Dines bevorzugter Tisch frei?«
»Ja, Monsieur.«
»Nun, dann nehmen Sie ihn in Ihre Obhut.«
»Sehr wohl, Monsieur.«
Der Lakai zeigt uns gehorsamst den Weg, mit starrem Genick und strengem Frack stolziert er voran, die Nase wie einen Feuerhaken in die Luft gereckt.
»Wo habt ihr denn diese Antiquität aufgegabelt?« flüstere ich Dine ins Ohr.
Dine stößt mir den Ellenbogen in die Rippen, um mir klarzumachen, daß ich jetzt besser die Klappe halte.
Der Lakai führt uns an einen blumengeschmückten Tisch direkt an der Fensterfront, rückt uns die Stühle zurecht und löst sich in Luft auf.
»Der Ruhestand scheint dir nicht schlecht zu bekommen«, bemerke ich zu Dine.
»Könnte man so sagen …«
»Hast du dich ins Geschäftsleben gestürzt?«
»Ich habe mir während meiner Dienstzeit nicht nur Feinde gemacht. Ein paar Freunde haben sich erinnert, daß ich ihnen mal nützlich war. Sie haben mir die Leitung eines kleinen Betriebs in der Lebensmittelbranche
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