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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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»Monsieur Dine, unser Haus steht Ihnen jederzeit offen. Sie sind ein besonders gern gesehener Gast. Dennoch wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie künftig auf Ihren Umgang achten wollten. Wir sind ein Privatclub. Unsere Gäste sind anspruchsvoll. Wir können es uns nicht leisten, unseren guten Ruf aufs Spiel zu setzen.«
    »Was ist denn bloß los, Monsieur Abbas? Gefällt Ihnen die Nase meines Freundes nicht?«
    »Um ehrlich zu sein: Ihr ganzer Freund gefällt mir nicht.«
    Dine blickt erst ihn an, dann mich, dann wieder ihn, und seine Wangen zucken verdächtig. Seine Faust krümmt sich und beginnt gefährlich zu beben.
    »Komm, wir gehen«, sage ich zu ihm.
    »Einen Moment!« ereifert er sich und schüttelt meine Hand von seinem Arm. »Was wollen Sie mir da zu verstehen geben, Monsieur Abbas?«
    »Ich dachte, ich hätte mich deutlich genug ausgedrückt.«
    »Mag sein, aber ich habe es nicht recht begriffen.«
    Der Geschäftsführer schnippt mit den Fingern. Schon kommen zwei Gorillas angetrabt, direkt aus einem Horrorzoo entlaufen.
    »Wenn Sie die beiden Herren bitte hinausbegleiten würden.«
    Die zwei Gorillas packen uns, ehe wir auch nur reagieren können, schieben uns zum Ausgang und schmeißen uns raus. Der Geschäftsführer mustert uns zwei Sekunden lang verächtlich, dann rät er uns in einem Ton, der zu denken gibt, nie wieder auch nur einen Fuß in die Nähe seines Etablissements zu setzen. Und bevor er uns definitiv den Rücken zukehrt, bemerkt er noch zu mir:
    »Manch kleiner Mann wär gerne groß, Monsieur Llob. Doch kein Zwerg wird größer, höchstens älter. Vorausgesetzt, er bleibt am Leben.«
    Das Schlimmste ist, um seine Dummheit zu wissen
    und sich nichts daraus zu machen.
    Brahim Llob
     
    6
     
    Als es an der Tür klingelte, sann ich gerade darüber nach, was Lino mir eines Abends auf der Küstenstraße gesagt hatte. Wir waren in einem Grillroom und schoben uns was zwischen die Kiemen. Lino gab mit fettriefendem Kinn und Beulen in den Backen folgende tiefsinnige Bemerkung von sich: »Die vernünftigste Art, einer Sache zu dienen, besteht nicht darin, für sie zu sterben, sondern sie zu überleben.« Damals fühlte Algerien sich noch gesund und kräftig an, ich platzte fast vor Patriotismus und neigte nicht dazu, den Äußerungen eines Untergebenen Beachtung zu schenken. Aber heute, da trifft es mich wie ein Bumerang. Mit der Wucht einer Wahrheit aus Kindermund. Stundenlang brüte ich schon darüber nach. Ein harter Brocken. Unverdaulich. Einfach furchtbar.
    Mein Leben lang habe ich immer daneben gelegen. War der ewige Brummbär, der Karikatur näher als dem Wald, durch die allgegenwärtige Niedertracht in eine Art größenwahnsinniger Starre versetzt, die mich blind und taub machte. Es widerte mich an, meine Umgebung fröhlich hinter einer Pappnase hertrotten zu sehen. Doch heute, da weiß ich: der Grauschleier, der mir den Blick verstellte, der bittere Groll, der mir die Eingeweide zerfraß, all das kam daher, daß ich nicht zuhören konnte. Ich war betäubt von meinem Groll, dem Groll des Unbestechlichen, verblendet von meinem Ekel vor allem, was meiner Vorstellung vom Wahren und Guten widersprach. Vielleicht war es nur der Versuch gewesen, mich zu retten vor den Machenschaften des Teufels, der überall lauern konnte, oder mich abzugrenzen vor den intriganten Umtrieben, wie sie in den Zentren der Macht florierten, denn mein Kokon erschien mir als das denkbar beste Alibi. Welch Utopie! Einmal mehr hatte ich nichts begriffen.
    Gewiß, tröstete ich mich, in jeder Mülltonne finden sich Dinge, die noch heil sind. Aber, so verzagte ich gleich darauf, was ist das schon, ein heiles Ding in einer Mülltonne? Ob es nun von einem Penner herausgepickt wird oder auf der Deponie landet, der Welt des Unrats entgeht es nicht … Voll daneben! Könnte ja sein, daß es recycelt wird!
    Heute bin ich überzeugt, daß die modernden Gewässer im Teich der Reinheit der Seerose keinen Abbruch tun.
    Ich hatte die Wahl zwischen zwei Wegen, mich meiner Aufgabe gegenüber der Gesellschaft zu entledigen: ihr zu Diensten zu sein oder sie mir zu Diensten zu machen. Ich habe mich für den Weg entschieden, der mir als das kleinere Übel erschien. Es war hart, aber ich bereue nichts. Ich frage mich noch immer: Muß man seiner Überzeugung bis zuletzt die Treue halten? Oder soll man sein Mäntelchen lieber nach dem Winde hängen? Und was heißt das: bis zuletzt? Bis an den Galgen, bis in den Untergrund oder bloß bis in die

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