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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Deutschland sicher einen Bürgerkrieg
    ausgelöst, doch der Welt wären Holocaust, Mas-
    sendeportationen und Gaskammern erspart geblie-
    ben.“
    „Wir hatten nie die Absicht, einen Weltkrieg aus-
    zulösen!“ protestiert der Scheich.
    „Und die kulturelle Säuberung, die der FIS ange-
    kündigt hat? Und der Galgen, den er den Intellek-
    tuellen in Aussicht gestellt hat? Und der Totalita-
    rismus, für den er sich stark gemacht hat? Ich bin
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    überzeugt, das Land hätte im Falle eines Wahlsiegs
    des FIS einen Genozid ungeahnten Ausmaßes er-
    lebt. Zum Glück hat der FIS den taktischen Fehler
    begangen, zum bürgerlichen Ungehorsam aufzuru-
    fen …“
    Das ist der Moment, in dem Doktor Lounes Ben-
    di, um sich Gehör zu verschaffen, mit dem Löffel
    gegen den Tellerrand klopft. Mit ungeheurer Kon-
    zentration und vernichtendem Lächeln blickt er
    abwechselnd den Scheich und den Filmemacher
    an.
    „Etwas mehr Niveau, meine Herren, wenn ich
    bitten darf. Wir sind hier doch nicht am Stamm-
    tisch.“
    In der Gewißheit, die ganze Tafelrunde in seinen
    Bann gezogen zu haben, legt er den Löffel nieder
    und lehnt sich gemächlich zurück. Mit zwei Fin-
    gern liebkost er seine Lacoste-Krawatte. Neben mir
    beginnt Madame Baha Salah wie eine läufige Sau
    zu zittern. Seit wir zu Tisch sitzen, läßt sie ihn
    nicht mehr aus den Augen. Und immer, wenn sich
    ihre Blicke kreuzen, erbebt sie von Kopf bis Fuß.
    Der Doktor holt tief Luft und donnert wieder los:
    „Wie konnte es kommen, daß der FIS, der kurz vor
    einem glanzvollen Wahlsieg stand, sich von heute
    auf morgen in die Illegalität begeben hat? Wozu
    der Aufruf zum zivilen Ungehorsam? Der FIS war
    das virtuelle Parlament. Warum hat er schlagartig
    alles hingeworfen, um im Gefängnis zu enden?“
    Die Fragen des Doktors wandern einmal um die

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    ganze Tafel, doch niemand mag sie aufgreifen.
    „In der Tat“, zwitschert zuletzt ein kurzsichtiges
    Fräulein, „das macht keinen Sinn. Das Volk war
    doch auf seiner Seite. Aus allen Umfragen ging er
    mit einer Mehrheit von über 80 Prozent hervor,
    Wahlbetrug hin oder her.“
    „Je länger man darüber nachdenkt, umso seltsa-
    mer kommt es einem vor!“ bestätigt ein Schönling
    wohl nur deshalb, um alle Blicke auf sich zu zie-
    hen.
    Der Doktor sieht ein, daß er die Latte zu hoch
    gehängt hat, und lächelt noch eine Spur überhebli-
    cher, bevor er erklärt:
    „Die Sache mit dem bürgerlichen Ungehorsam
    hat weder Hand noch Fuß. Damit nahm der
    Schwindel seinen Lauf. Der FIS entlarvte sich als
    ausführendes Organ. Alles war seit Jahren im De-
    tail geplant. Der FIS ist nicht gekommen, um zu
    regieren, sondern um Krieg zu führen. Die No-
    menklatura hat allen Sand in die Augen gestreut.
    Ihr schmutziges Geld quoll hinter der Fassade des
    Sozialismus hervor und begann, sie zu verraten.
    Sie fürchtete, hinweggeschwemmt zu werden von
    der Welle der Empörung, die ihr Gemauschel und
    ihre Spekulationen auslöste. Was sie brauchte, war
    neuer Lebensraum. Und das so schnell wie mög-
    lich. Es ärgerte sie, daß ihr Geld in die Banken im Ausland floß, daß sie Milliardensummen einfrieren
    mußte. Sie wollte ihr Beutegeld zurück, wollte
    hier, im eigenen Land investieren, einem Eldorado,
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    das brachlag. Aber die Sache hatte einen Haken.
    Jedesmal, wenn man durchblicken ließ, daß dieses
    oder jenes hohe Tier ein großes Projekt lancieren
    wollte, tuschelte es im Volk: Minn ayna laqa ha-da? Wie kommt der zu so viel Geld?’ So ging das nicht weiter. Man mußte ihr das Maul stopfen, dieser Nation von Nichtstuern … Aber wie? Nichts
    einfacher als das! Ein Krieg mußte her! Eine Krise, eine richtig schöne beschissene Krise, aber eine
    Krise, die sich von A bis Z steuern ließ … Auf die
    Berberkarte setzen? Zu riskant fürs Vermögen. Die
    Karte der Arabisierung? Die Intellektuellen sind
    schlechte Söldner. Es galt ja, den Laden in die Luft zu jagen, alles abzufackeln, dem nationalen Ge-dächtnis ein Trauma einzuimpfen, die Nichtstuer,
    die ‚Immobilisten’, zur Vernunft zu bringen und
    dieses Volk undankbarer und verstockter Subven-
    tionsempfänger solange auszuhungern, bis es sich
    nicht mehr scheute, um Brot für seine Kinder zu
    betteln, sich für den letzten Job zu prostituieren.
    Dann hat die Stunde der Nomenklatura geschlagen,
    die zynisch beteuert: ‚Wie gerne würde ich inves-
    tieren, doch die Leute werden munkeln …’ ‚Zum
    Teufel mit dem Gemunkel der Leute!’ wird man
    dann sagen.

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