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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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recht, um
    den Abgrund zu vertiefen, in dessen Sog ich bin.
    Ich verspüre keinerlei Bedürfnis, mich noch ir-
    gendwo anzuklammern, schlimmer noch: Ich lasse
    mich fallen, widerstandslos, mit einer Art innerem
    Frieden, der bewirkt, daß die Dinge dieses Lebens
    mich nur noch anwidern. Was hatte ich bloß bei
    Madame Rym verloren? Was sollte diese primitive,
    skandalös dämliche Maskerade? Muß ich mich
    definitiv damit abfinden, daß nichts, absolut nichts, dem Mammon widersteht, daß alles, absolut alles,
    käuflich ist?
    Ich bin zutiefst verstört.
    Jetzt habe ich schon die dritte Zigarette in knapp
    fünfzehn Minuten intus und bin noch immer nicht
    hinreichend betäubt.
    Dine brettert an einem Stopschild vorbei und läßt
    in einer scharfen Kurve die Reifen quietschen. Er
    ist außer sich. Seine Faust trommelt aufs Lenkrad,
    malträtiert den Schaltknüppel. Ich find’s nicht be-
    sonders amüsant. In einer Biegung kommt der Wa-
    gen wegen eines Schlaglochs ins Schleudern, und
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    es wirft mich gegen die Scheibe. Dine bemerkt
    nichts von alledem. Er hat an meinem überstürzten
    Aufbruch aus der Villa von Algiers schönster Wit-
    we zu knapsen und reagiert seinen Zorn mit durch-
    gedrücktem Gaspedal ab.
    „Mein Lieber, wenn du weiter so muffig drein-
    blickst, wirst du dein Schicksal kaum freundlicher
    stimmen!“ schimpft er. „Sieh zu, daß sich ein
    Schönheitschirurg deiner Visage annimmt. Du bist
    schlicht zum Verzweifeln.“
    Verzweifelt, das dürfte es treffen. Verzweifelt
    darüber, zusehen zu müssen, wie meine Welt sich
    im Hauch der Chimären auflöst; verzweifelt, im
    fortgeschrittenen Alter feststellen zu müssen, daß
    nichts blieb von den Hoffnungen, die ich hartnä-
    ckig nährte, die mein Bollwerk waren gegen alle
    Anfeindungen, gegen den barbarischen Ansturm
    der Opportunisten und Arrivisten. Ach, Dine, wo
    sind sie hin, die unbeschwerten Jahre, in denen du
    dir täglich was Neues ausdachtest, um bis zum
    Monatsende über die Runden zu kommen? Was ist
    aus dem tollen Burschen geworden, dessen Hun-
    gerlohn seinen aufrechten Gang nicht anzufechten
    vermochte? Dabei gab es vieles, bei dem man
    schwach werden konnte. Es war so leicht, es wie
    alle zu machen, sich ein Plätzchen an der Sonne zu
    sichern, jemandes Einfluß zu nutzen, um eine fette
    Rente zu ergattern, die in Reichweite aller Geld-
    beutel war. So verrottet war das Land, daß es schon zum Himmel stank. Doch manch einer mochte

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    nicht dem Schwur der Gerechten entsagen, wollte
    seine Prinzipien nicht für trügerische Privilegien
    verhökern. Manch einer hat seine Ehre höher als
    den Reichtum gehalten, hat sich im trübsten Tüm-
    pel nicht in den Schlamm ziehen lassen.
    Meine vierte Zigarette schickt mich auf Reisen,
    27 Jahre zurück, in ein kleines Kommissariat in El
    Hamri, einem Armeleuteviertel von Oran. Eines
    Morgens im April war ich dort aufgetaucht, in der
    einen Hand mein Köfferchen, in der anderen ein
    Dokument. Es regnete Bindfäden an jenem Tag,
    der Himmel entlud seine Wut. Ich war fremd in
    einer fremden Stadt. Und dann war da plötzlich
    dieser joviale Typ hinter seinem altersschwachen
    Schreibtisch. Der beim Reden nicht anders konnte
    als jeden Satz mit lautem Gelächter zu beenden.
    Sein Lächeln heiterte das Gewitter auf, das draußen tobte. Er hieß Dine. Wir wurden Freunde vom ersten Handschlag an und sind es jahrelang geblieben,
    trotz der Wechselfälle dieses Hundelebens, das
    sich Laufbahn nennt. Doch offensichtlich gibt es
    solide Fassaden, die plötzlich, bei der geringsten
    Berührung, einstürzen.
    Wir sind vor dem Haus angelangt, in dem ich
    wohne. Die Straße ist ausgestorben. Die paar klap-
    perdürren Laternen, die sich am Straßenrand rei-
    hen, sehen wie bettelnde Gespenster aus. Bleiches
    Licht hüllt ihren Kopf in einen verblüffenden Hei-
    ligenschein. Vorbei die schöne Zeit von einst. Ver-
    schwunden die jungen Tunichtgute, die sich einst
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    lärmend in den Torfluchten trafen. Die Händler
    machen mit Einbruch der Nacht die Läden dicht.
    Dann treibt sich hier nur noch der Wind herum, die
    Hunde streunen, die Unsicherheit lauert der Straße
    auf.
    „Nun gib dir mal ’nen Ruck!“ brummt Dine. „Im
    Leben muß du dich entscheiden: Entweder du
    steigst aus oder du gibst Vollgas und ziehst an den anderen vorbei.“
    „Was glaubst du, wieviel das ausmacht, sieben-
    undzwanzig Jahre Freundschaft – abzüglich der
    Steuern?“
    Meine tonlose Stimme überrumpelt ihn, haut

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