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Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären

Titel: Commissaire-Llob 3 - Herbst der Chimären Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
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Albanien … Was sich
    hier bei uns abspielt, ist letztlich biologisch kondi-tioniert. Unser Land will erwachsen werden. Es ist
    auf der Suche nach sich selbst. Eine schlichte Pu-
    bertätskrise.“
    Ich bin jetzt ganz allein auf der Veranda, übers
    Gelände gesunken, halb weggetreten. Da kommt
    Madame Rym angeschlängelt. Sanft legt sich ihre
    Hand auf meine.
    „Warum haben Sie mich zu diesem Karneval der
    Beknackten geladen, Madame Rym?“
    „Damit Sie wissen, was ich Woche für Woche
    auszustehen habe.“
    „Dazu zwingt Sie doch keiner.“
    „Deshalb versuche ich ja auch, neue Freunde zu
    gewinnen.“
    „Ach tatsächlich?“
    „Absolut. In meiner Welt spricht man nur über
    Profit, Politik und Finanzgeschäfte, nie über andere Dinge. Ich bin es leid. Ich bin eine Träumerin,
    Monsieur Llob. Am liebsten säße ich irgendwo an
    einem Flußufer und würde alles vergessen, schlös-
    se einfach die Augen und stellte mir vor, daß Mär-
    chen wahr werden: Sogar einen Frosch würde ich

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    dafür auf sein feuchtes Maul küssen. Manchmal
    packt mich die Lust, einfach die Tür zuzuknallen
    und in den Büschen meine Träume aufzustöbern.
    Ich bin ein Mädchen vom Land, Monsieur Llob.
    Mein Vater besaß eine Hütte am Waldrand. Er ist
    nur deshalb in die Stadt übersiedelt, weil er fürchtete, man könnte mir hinter einem Baum auflauern.
    Ich bin leidenschaftlich gern durch die Wälder ge-
    streift.“
    Ihre Finger haben sich mittlerweile in meiner
    Hand eingenistet. Ihre Augen, in denen sich das
    Laternenlicht spiegelt, funkeln wie zwei Juwelen.
    Ihr Parfüm ist stärker als alle Düfte, die aus dem
    Garten aufsteigen.
    „Ich bin wie meine Rosen, die ich hingebungs-
    voll pflege. Aber das fällt keinem meiner Gäste
    auf. Alle kommen sie nur hierher, um zu feiern.
    Und im Morgengrauen, wenn sie wieder gehen,
    glänzen Tränen in meinen Augen, als wären es
    Tautropfen auf den Blütenblättern.“
    Sie faßt mich um die Taille, und ich spüre deut-
    lich den Druck ihrer Brüste gegen meine Rippen.
    „Kommen Sie, mein Freund, lassen Sie uns zu
    Tisch gehen.“
    Ich folge ihr.
    „Mögen Sie Blumen, Monsieur Llob?“
    „Unter anderem.“
    „Haben Sie eine Vorliebe für eine bestimmte
    Sorte?“
    „Nun, sagen wir, ich sehne mich nach jener, die
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    ich wohl kaum noch werde pflücken können.“
    „Nämlich?“
    „Der Jugendblüte.“

    Das Dinner wird in einem riesigen, mit Samttape-
    ten ausgeschlagenen Saal serviert. Das Bankett
    erstreckt sich über mindestens zwanzig Meter Län-
    ge. Es ist so üppig, daß man davon eine ganze Sip-
    pe zwei Tage lang satt bekäme. Ich werde zwi-
    schen zwei knusprige Damen an die Mitte der Ta-
    fel plaziert, zu meiner Linken Madame Baha Salah,
    rechts von mir Madame Haraj. Den Vorsitz macht
    Amar Bouras. Jeder andere hätte mich überrascht.
    Da er meint, er sei auf einem Kongreß, leiert er
    einen unverständlichen Diskurs herunter und bittet
    uns, massenhaft seiner Bewegung für die Wieder-
    herstellung von Frieden und Wohlstand in Algerien
    beizutreten. Sein Politbüro klatscht eifrig Beifall.
    Das ist das Signal für die wackeren Kämpen: Im
    Sturm werden die Suppentassen eingenommen.
    „In welcher Partei sind Sie denn, Monsieur
    Llob?“ fragt mich meine Nachbarin zur Rechten.
    „In meiner Familie, Madame.“
    „Da haben Sie recht. Aber wo ist denn Ihre
    Frau?“
    „Zu Hause. Sie bereitet gerade mein Bad vor.“
    „Kleiner Heimlichtuer. Während Ihre Frau Ihnen
    das Bad zubereitet, suchen Sie krampfhaft nach
    einer Rechtfertigung dafür.“
    Eine zweite Detonation läßt uns hochfahren.

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    Doch gleich nimmt Baha Salah das Heft in die
    Hand: „Kümmert Euch nicht um diese Idioten,
    liebe Freunde. Schlemmen wir bis zum Gehtnicht-
    mehr!“
    Die Selbstsicherheit des Industriellen entspannt
    die Atmosphäre. Hinter einer dicken Dame aus der
    Bourgeoisie versteckt, hat Scheich Alem mich im
    Visier. Kaum wende ich den Kopf ab, schmettert er
    los: „Neunundsiebzig!“
    „Schäm dich, Scheich!“ empört sich der Filme-
    macher. „Ein Hadsch wie du, mit einem Bein
    schon im Grab! Wie kannst du dich nur freuen,
    dein eigenes Land in Flammen aufgehen zu se-
    hen!“
    „Daran ist nur die Armee schuld!“ deklamiert der
    Bärtige. „Sie hätte den Wahlprozeß nicht unterbre-
    chen dürfen.“
    „Die Armee hat nur ihre Pflicht getan. Hätten die
    deutschen Offiziere damals denselben Mut bewie-
    sen, um Adolf Hitler den Weg zu versperren, dann
    hätte das in

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