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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Bagnol
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war.«
    Zadira hatte sich schon von Madame de Noat verabschiedet, als ihr noch etwas einfiel: »Ach, Madame, sagen Sie, hatte Élaine eine Katze?«
    Die alte Frau sah auf. »Ja, hatte sie. Sie hat Lysanne über alles geliebt und war entsetzt über ihren Tod.«
    »Wie ist Lysanne denn gestorben?«
    Madame de Noat schüttelte leicht den Kopf.
    »Irgendein gemeiner Mensch hat sie ertränkt.«

    Als Zadira wenig später in ihren Lancia stieg, bemerkte sie, dass Dr. Hervé versucht hatte, sie zu erreichen.
    »Sitzen Sie?«, fragte die Forensikerin, als Zadira zurückrief.
    »Jetzt ja.«
    »Ich hab was gefunden.«
    Zadira schloss die Augen. Hielt die Luft an. Jetzt. Jetzt!
    »Es war nicht einfach. Aber ich habe nach allem gesucht, was man schlucken kann. Und dann fand ich es. Kantharidin!«, triumphierte die Rechtsmedizinerin.
    »Das sagt mir was … ach ja. Spanische Fliege, ist das nicht ein Potenzmittel?«
    »Ein umstrittenes. Was im Internet unter diesem Namen verkauft wird, ist jedenfalls lächerlich. Chili-Ersatz und Ascorbinsäure. Nein, wir haben was Richtiges. Sehr reines Kantharidin, und das fällt in die Kategorie unverkäufliche und verbotene Arznei- und Betäubungsmittel. Bringt fünf bis zehn Jahre Haft, wenn Sie es konsumieren oder weitergeben.«
    »Was kann es noch?«
    »Es ist ein toxisches Nervengift, das Blase, Harnleiter, Vagina und Penis durchblutet und die Nieren angreift.«
    »Ist es tödlich?«
    »Das kommt auf die Dosis an, aber der Grat zwischen der eben noch verträglichen, der gesundheitsschädlichen und der tödlichen Dosis ist sehr, sehr schmal. Sie haben da alles von der Mundverätzung über Bluterbrechen und Nierenversagen bis zum Tod. Im alten Griechenland wurde den zum Tode Verurteilten Kantharidin gereicht, wussten Sie das?«
    »Es war mir just entfallen.«
    Hervé ließ ein kehliges Glucksen hören. »Jedenfalls: Man muss mit dem Tod umgehen können, um ihn zu genießen, würde mein Toxikologie-Professor sagen. Wenn er noch leben würde. Aber bei Julie Roscoff konnte offenbar jemand mit dem Tod umgehen. Die verabreichte Dosis war nicht tödlich, aber erhöhte vermutlich den Blutdurchfluss in Becken und Blase, sprich: Es könnte indirekt erregend oder enthemmend gewirkt haben.«
    »Und wie kam es in Julies Blut?«
    »Ich habe mir den Befund des Mageninhalts angeschaut. Da waren neben vielen anderen Rückständen auch die von einem roten Bonbon mit weißen Streifen. Wie die gefüllten Berlingots, die in Carpentras verkauft werden. Ihre Julie hat das Bonbon kurz vor oder während des Diners zu sich genommen. Jedenfalls war darin das Gift, ich konnte etwas davon aus dem Zuckerstoff extrahieren. Und es ist kein Problem, so ein Bonbon nachträglich zu präparieren.«
    »Sagen Sie«, fragte Zadira nach einer Denkpause, »können Sie mir noch den Slip beschreiben, der in Dédé Horloges Wohnung gefunden wurde und den er Julie, nachdem er sie ermordet hat, angeblich abgenommen haben soll?«
    Sie hörte, wie Hervé mehrmals mit ihrer Maus klickte.
    »Schwarzes Baumwoll-Acetat-Viskose-Gemisch, schwarze Spitze an den Beinausschnitten, Elasthan-Bündchen. So was bekommen Sie im Dreierpack bei H&M.«
    »Die Dinger kenn ich, halten gerade mal eine Saison.«
    »Ja, meine Tochter trägt die auch.«
    Zadira schloss die Augen. Der Slip. Julie. Das frisierte Haar, die teuren Schuhe, die im Salon liegende rote Robe.
    »Finden Sie es nicht seltsam, dass eine Frau zu einem opulenten Diner, für das sie mit teuren Schuhen, teurer Robe, teurem Make-up zurechtgemacht ist, nur einen einfachen H&M-Slip trägt, Doktor?«
    »Was seltsam ist und was nicht«, antwortete Hervé langsam, als ob sie begriff, welche Dimension Zadiras Frage aufwarf, »befinde nicht ich. Ich liefere nur Fakten. Aber wenn Sie mich fragen: Ich baue meine Garderobe von der Unterwäsche her auf. Und meine Tochter auch, wenn sie etwas vorhat.«
    »Und zu Julies Schrank hatte jeder leicht Zugang. Immer.«
    »Warum sagen Sie das mir, Lieutenant, und nicht dem Anwalt von Horloge oder Ihrem leitenden Ermittler Minotte?«
    Zadira räusperte sich. Sie musste es einfach wagen.
    »Könnten Sie den Bericht über das Kantharidin noch bis morgen Vormittag zurückhalten? So bis zwölf Uhr?«
    Dann würden die »Erben des Marquis« nämlich schon auf ihrer Wache sitzen.
    »Sie wollen nicht, dass Minotte es vorher liest.«
    »Ja.«
    Stille.
    »Ich denke darüber nach, Lieutenant.«

31
    S ein erster Gedanke war: Leben! Doch noch ehe er richtig zu Bewusstsein

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