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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Bagnol
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musste all ihre Kraft aufbringen, um die Frau nicht zu umarmen.
    »Hier hat sie gelegen«, begann Madame de Noat heiser, als ihre Tränen versiegten. »So oft zerschmettert, dass der Bestatter ihre Knochen fünfzehn Mal zusammennageln musste.«
    Ihr Schmerz hallte in Zadira wider. Sie schluckte, weil sie de Noats Kummer so intensiv spürte, dass sie ebenfalls fast zu weinen begonnen hätte.
    Es ist kein Beruf, der glücklich macht.
    Sie wirkt wie eine Frau, dachte Zadira, die aufgehört hat, zu leben. Sie atmet nur noch Schmerz. Als könnten ihr weder Liebe noch der Duft des Frühlings oder das Knistern des Feuers im Kamin jemals wieder etwas bedeuten.
    Zadira hatte es weder geplant noch jemals tun wollen, aber sie tat es. In der sengenden Sonne und während über ihnen immer wieder jäh aufschreiende Bussarde kreisten, erzählte sie Élaines Mutter von ihrem Vater. Und dass sie, Zadira, lange gedacht hatte, dass sie schuld an seinem Tod war, weil er sich, als die Bac-Schießerei begann, über sie gebeugt hatte. Weil er in den Rücken getroffen wurde, genau in der Höhe, in der sich vor seiner Brust Zadiras Kopf befand.
    »Aber so ist es doch richtig«, sagte Madame de Noat nach einer Weile und griff mit ihrer trockenen, faltigen Hand nach Zadiras. »Die Eltern gehen vor den Kindern. Ich wäre gern vor meinem Mädchen gegangen.«
    Zadira und sie hielten einander weiter an den Händen. Auch dann noch, als Zadira sagte:
    »Irgendwann begriff ich, dass nicht ich schuld war, sondern derjenige, der die Waffe abgefeuert hatte. Einer von denen, die Ausländer hassen. Er war schuld. Nicht ich. Nicht mein Vater.«
    Madame de Noat nickte nach einer Weile.
    »Aber wer ist das andere Mädchen, das meiner Élaine so ähnlich sieht?«, fragte sie.
    Zadira erzählte Élaines Mutter leise von Julie Roscoff und auch von Natalie Chabrand. Sie erzählte ihr von den Bildern in Rimauds Anbau und von der Liebe, die er wohl für Élaine gefühlt hatte. Sie erzählte vom Haus Nummer 9 in Mazan und von den vieren, die sich »Die Erben des Marquis« nannten. Die hier, am Fuße des Schlosses des Marquis de Sade, Frauen verführt hatten. Und es noch immer taten. Im Namen ihres Meisters, Vorbildes und Idols. Genauso skrupellos. Genauso verworfen. Sie lockten die jungen Frauen mit dem Versprechen, ihnen ihre Träume zu erfüllen, erfüllten sich aber nur ihre eigenen.
    »Ich habe César Alexandre damals das schwarze Nachthemd gebracht«, sagte Gabrielle de Noat. »Sicher hatte er es Élaine geschenkt, wir konnten uns so etwas nicht leisten. Er sollte sehen, dass ihr Blut daran war. Ihr Blut, Knochensplitter und anderes … Aber er hat nicht einmal einen Blick darauf geworfen. Er sagte, damit hätte er nichts zu tun. Dabei hatte er alles damit zu tun, nicht wahr?«
    Élaines Mutter sah Zadira zum ersten Mal direkt in die Augen.
    »Ja, das hat er«, erwiderte Zadira ernst. »Er und seine Freunde, Madame de Noat.«
    »Die Erben des Marquis …«, wiederholte de Noat verständnislos.
    »Sie sagten vorhin, Élaine hätte einen Verlobten gehabt?«
    »Ja, der arme Kerl. Er ist nach der Beerdigung verschwunden. Vielleicht ist er längst verheiratet oder Priester geworden. Ich weiß es nicht, er hat sich nie wieder bei uns gemeldet.«
    Aber er hat Élaines Bilder gekauft.
    »Wie ist sein Name?«, fragte Zadira.
    »Mattia«, sagte Madame de Noat. »Mattia Bertani.«
    Mattia.
    »Sein Vater war ein italienischer Einwanderer. Er hat Kirchen renoviert. Deswegen hat er Mattia auch nach einem Freskenmaler benannt.« Madame de Noat lächelte. »Er war ein sehr guter junger Mann. Er hatte Pläne. Er und Élaine kannten sich von klein auf. Er hat immer auf sie aufgepasst.«
    »Hat er sie sehr geliebt?«
    Die alte Frau runzelte ob dieser Frage die Stirn. Dann verlor sich ihr Blick wieder in der Vergangenheit. »Ja, Mattia hat Élaine sehr geliebt«, sagte sie weich. »Schon als sie noch Kinder waren. Da hat er immer gesagt, dass er sie heiraten würde, wenn sie erwachsen wären, dass sie ewig zusammenbleiben würden, immer. Nie ließ er sie allein, und auch wenn sie garstig mit ihm war, schreckte ihn das nicht ab. Sie war sein Ein und Alles.« Madame de Noat schluckte und presste sich die Faust vor den Mund. Als sie sich wieder gefangen hatte, fuhr sie fort: »Als wir sie zu Grabe trugen, da war er wie … wie aufgelöst, ja. Als ob er nicht mehr vorhanden wäre, als ob nur noch seine äußere Hülle existierte, aber er selbst, seine Seele, verschwunden

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