Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
kam, rebellierte sein Körper. Dunkelheit! Sein Kopf stieß gegen Holz. Schmerz! Mit den Krallen versuchte er, sich zu befreien. Kratzte, fauchte, wand sich. Kälte! Bretter um ihn herum, oben, unten. Eine Kiste? Gefängnis!
»Ja, ja, ja, die kleine Teufelskatze will raus.«
Commissaire Mazan erstarrte. Doch mit der leise murmelnden Stimme, die zu ihm drang, kam auch die Erinnerung zurück.
Der Flügelmann hatte ihn erwischt.
Wie überlegen er sich doch gefühlt hatte. Ihn, den halb verwilderten Kater mit Fähigkeiten, welche die der anderen Katzen noch übertrafen, würde kein Mensch je überraschen können. Das hatte er geglaubt.
Du hättest es wissen müssen, du Narr. Schließlich hat er auch die flinke Himmelstänzerin, die immer misstrauische Manon, zu fassen bekommen. Jetzt weißt du, wie sich das anfühlt.
»Kommst nicht raus, nein, nein, nein. Hast böse Augen, kleines, tückisches Teufelsding. Aber jetzt sehen sie nichts mehr, und schon bald werden sie nie mehr etwas sehen.«
Diese Enge! Dieses Eingesperrtsein. Unerträglich! Panik stieg in ihm auf. Erneut begann Mazan zu kratzen.
»Lass mich raus! Lass mich raus! Lass mich raus!«
»Ja, schrei nur! Komm, winde dich«, zischte die Stimme jetzt ganz nah. Gleichzeitig mit dem Hass, der in ihr mitschwang, nahm Mazan das Anwachsen der Schwingen wahr. Und den Wahnsinn, der in diesem Menschen wohnte.
Halt! Denk nach. Denk nach!
Er würde die Bretter, die ihn umgaben, weder mit seinen Krallen noch mit seinen Schreien zerstören können.
Nachdenken! Ruhig bleiben!
Jetzt fielen ihm die haarfeinen Ritzen zwischen den Brettern auf. Mattes Licht fiel hindurch. Sie waren nicht im Freien, das Licht wäre dort anders. Es waren auch keine anderen Menschen zu hören.
Aber wieso ist es so kalt?
Seine Gedanken flossen träger als sonst, wie Sirup.
Der Schmerz in seinem Rachen und die Betäubung seiner Sinne: Er kannte das. Und es rührte die Erinnerung an ein anderes Gefängnis auf. In dem Menschen in weißen Kitteln arbeiteten und mit ihren Klingen die wehrlosen Körper betäubter Tiere aufschnitten. Er erinnerte sich an die Wand aus Käfigen, in denen Hunde, Ratten und Kaninchen saßen. Und Katzen. In einem dieser Käfige hatte er gesessen. Aber er hatte fliehen können.
Mazan öffnete die Augen. Würde ihm auch diesmal die Flucht gelingen? Damals hatte er sich vorbereiten können. Er kannte die Räumlichkeiten, wusste, wo Fenster und Ausgänge lagen. Dennoch war es knapp gewesen.
Diesmal wusste er gar nichts.
Aber er konnte kaum darauf hoffen, dass ihn jemand retten würde, so wie er zuletzt …
Manon!
Der Gedanke an die Himmelsläuferin flößte ihm Mut ein. Er begann zu wittern. Sie befanden sich in einem Raum, der ungewöhnlich kühl war. Jetzt nahm er auch den Geruch von Lebensmitteln wahr, Gemüse, Fleisch und Fisch.
»Ich weiß, ich weiß«, vernahm er jetzt wieder die Stimme des Mannes, der ihn hierhergebracht hatte.
Mit wem sprach er? Waren sie etwa zu zweit?
»Er soll ein Geschenk für sie sein … ja, wie bei den anderen … ah, das gefällt dir.«
Bei der zweiten Person schien es sich um jemanden zu handeln, dem der Mann gehorchte. Mazan dachte an Morgaines Worte, dass es vielleicht zwei Mörder gab. Aber warum antwortete der andere nicht?
»Ich werde ihr erst seine Augen schenken, seine bösen, tückischen Augen. Oder vielleicht erst eines, jahaaaa.«
Das hörte sich gar nicht gut an.
»Ich weiß nicht, ich darf keinen Fehler mehr machen … muss nachdenken.«
Mazan machte sich bereit, öffnete das Maul und begann zu flehmen. Er versuchte es mit all seiner Kraft.
Aber es tat sich … nichts!
Das lag an der Tinktur, mit der der Flügelmann ihn betäubt hatte. Sie überdeckte wie ein Schleier all seine Rezeptoren.
Konzentrier dich. Versuch’s noch mal.
»Ja, ich kann ihn nicht ewig hierlassen … muss etwas unternehmen … aber die Araberhure, sie …«
Bei diesen Worten zuckte ein wütender Impuls durch den Raum, den Mazan bis in seine Kiste hinein spürte. Glühend und scharf. Es war dieser Impuls, der den Schleier zerriss.
Mazan sprang. Fiel. Wirbelte.
Und was er dann entdeckte, war sehr merkwürdig.
Der Mann, der ihn hierhergebracht hatte, war allein.
Und doch nicht allein.
Es war kein schwacher Mann, der händeringend in dem kleinen Raum, in dem sie sich befanden, hin und her lief. Doch gegen den Schatten, der ihn begleitete, der über ihm emporwuchs und mit seinen Flügeln den Raum ausfüllte, wirkte er
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