Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
schloss er die Tür sanft hinter sich.
Minotte wartete mit verschränkten Armen darauf, dass Zadira las, was die PTS soeben bestätigt hatte.
Julies DNS-Spuren waren an einer unbekannten Männerleiche gefunden worden, die zwei Gendarmen aus Sarrians in einem Straßengraben entdeckt hatten. Hautpartikel unter seinen Fingernägeln sowie ihre Haare an seiner Kleidung. Es war davon auszugehen, dass der Mann osteuropäischer Herkunft in das Haus Nummer 9 eingebrochen war und Julie erdrosselt und beraubt hatte.
»Ach so?«, konstatierte Zadira sarkastisch. »Und wieso ist die Kette, also die Mordwaffe, dann in Alexandres Kulturbeutel gefunden worden? Hat der Einbrecher sie da rein zufällig versteckt?«
»Wir haben Julies DNS an diesem Mann gefunden. Das entlastet César Alexandre jedenfalls als unmittelbar Tatverdächtigen. Im Übrigen haben wir bisher auch keine Fingerabdrücke von ihm auf der Kette gefunden.«
»Oh, bitte. Der Mann trägt doch ständig Golfhandschuhe.«
»Ich war noch nicht fertig, Lieutenant. Dieser Einbrecher aus Sarrians wurde ermordet. Irgendjemandem schien es gewaltig viel Spaß zu machen, diesem Mann die Kette abzunehmen und sie Monsieur Alexandre unterzuschieben.«
»Das glauben Sie doch nicht wirklich, oder?«
»Was ich glaube, Madame? Ich glaube, dass Sie sich verrannt haben. Carpentras übernimmt ab hier.«
»Das kann doch alles nicht wahr sein.«
»Sie sind raus, Matéo«, sagte Minotte knapp und verließ wortlos das Vernehmungszimmer.
Zadira schob die Akte Julie Roscoff wütend von sich.
»Putain!«
Sie hatte verloren.
34
Ü ber Carpentras wölbte sich ein klarer, dunkelblauer Abendhimmel. Durch die Straßen fegte der Mistral. Der böse, große Wind. Ein riesiger Fön, der Korkeichen niederbog, Streits entfachte und dunkelste Depressionen nährte.
Plastiktüten wirbelten über den Asphalt, die Zweige der Platanen führten bei jedem Windstoß einen verzweifelt wirkenden Tanz auf, als seien sie Ertrinkende, die um Hilfe winkten. Die Fahnenleinen vor dem Best-Western-Hotel schnatterten heftig gegen das Metallgestänge.
Zadira in ihrem alten Lancia hielt es kaum noch aus. Alles in ihr drängte danach, das Gaspedal durchzutreten und mit aufbrüllendem Motor diese ganzen bornierten Feierabendtrödler von der Straße zu rammen.
Wieder musste sie an einer Ampel halten. Es war die letzte, bevor sie auf die Ausfallstraße nach Mazan kam. Sie wühlte in den CDs, die auf dem Beifahrersitz lagen. Billy Idol. Sie stieß die silberne Scheibe in den Schlitz und drehte die Lautstärke hoch. »Rebel Yell« setzte in dem Moment ein, da die Ampel auf Grün sprang. Und als sie das Ortsschild hinter sich ließ, konnte sie endlich Gas geben. Ihr verzweifeltes »Ahhh« wurde vom Röhren des 200-PS-Motors und der Stimme des Rockers übertönt.
War sie je zuvor schon so gedemütigt worden?
Ja. Immer wieder. Seit sie laufen gelernt hatte.
»Verdammt!«, schrie sie und schlug mit der Hand auf das Lenkrad. Und dann wieder: »Verdammt! Verdammt! Verdammt!«
Erst der Schmerz in ihrem Handballen ließ sie damit aufhören.
Während Zadira mit viel zu hohem Tempo und waghalsigen Überholmanövern Richtung Mazan raste, zuckten ihr abwechselnd Rache- und Selbstmordgedanken durch den Kopf. Als sie schließlich am Place de la Grande Fontaine in Mazan ihren Wagen abstellte, wusste sie nicht mehr, wie sie den Weg geschafft hatte, ohne sich den Hals zu brechen. Die plötzliche Stille dröhnte in ihrem Kopf. Sie musste nachdenken. Unbedingt.
Bilder und Worte wirbelten in ihrem Kopf herum: die Kette, Césars grenzenloses Erstaunen, Victorine und Paul, der auffällig kooperative Philippe – und immer wieder Minotte: »Sie sind raus, Matéo.«
Du Schwein.
Irgendjemand rief ihr einen Gruß zu, als sie durch die Porte de Mormoiron in die Altstadt lief. Sie winkte nur wortlos, ohne anzuhalten.
Die Tür zu ihrer Wohnung stand wie immer halb offen. Zadira trat ein, schaute sich um. Nichts. Kein Commissaire Mazan. Die Katzendecke war leer. Das zerriss ihr vollends das Herz.
Sie füllte sich einen Kaffeebecher mit Leitungswasser, setzte sich an den Küchentisch, nahm ihre Baseballkappe ab und öffnete den Zopf. Dann starrte sie aus dem Fenster.
Die Spannung des Tages presste ihr die Brust zusammen, verengte ihr den Hals, schmerzte in den Ohren und im Kiefer.
Sie griff in ihre Hosentasche nach dem Gris-gris und dachte an ihren Vater. An Marseille. Und an Julie.
Und dann kamen sie.
Die Tränen.
Zadira legte die
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