Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
den dringenden Tatverdacht. Sie erwartete kein Geständnis von ihm, aber vielleicht konnte sie ihn so weit aus der Deckung locken, dass er mehr verriet, als er wollte.
Zadira begriff jetzt, was die anderen Erben zu ihren Spielen antrieb. Für Victorine war es die Bestätigung ihrer eigenen, unglücklichen Biographie. Für Philippe Amaury ging es um die Verlängerung seines längst nicht mehr funktionierenden Penis. Alexis Lagadère brauchte die Gewalt wie die Luft zum Atmen. Aber César?
»Wer bist du, und was willst du?«, flüsterte Zadira.
Er saß ruhig am Tisch, die Hände ineinander gefaltet. Ernst und nachdenklich schaute er in das versteckte Auge der Kamera. Er wusste, dass sie ihn beobachtete.
Zadira sah auf die Uhr. Wo blieb eigentlich Minotte? Er musste mittlerweile längst erfahren haben, dass sie schon wieder Ärger machte.
Zadira band sich ihren Pferdeschwanz neu, rückte ihre Kappe zurecht und öffnete die Tür zum Befragungsraum.
Césars Gesicht zeigte Neugier, als sie sich ihm gegenüber am Tisch niederließ und Julies Akte vor sich ablegte.
»Monsieur César Alexandre …«, begann sie.
»Sie wissen, dass Sie das Ihre Zukunft kosten wird«, unterbrach er sie. »Irgendwann, in einer, spätestens in zwei Stunden wird jemand durch diese Tür kommen und Ihnen mitteilen, dass Sie mich gehen lassen müssen. Und während ich nach Paris fahre, in mein Haus, in mein Büro und zu meinen Freunden, werden Sie auf Ihre kleine schäbige Wache zurückkehren. Dieser Moment, in dem wir beide jetzt hier sitzen, Sie als Polizistin und ich als Verdächtiger, wird der Höhepunkt Ihres Lebens sein. Und darum werde ich Ihnen einen Gefallen tun. Ich werde Ihnen alles sagen, was Sie wissen wollen. Nur den Mord an Julie werde ich nicht gestehen, denn den habe ich nicht begangen. Über die Aufzeichnungen dieses Gespräches brauchen wir uns beide übrigens keine Gedanken zu machen. Die werden anschließend gelöscht werden.«
Er lehnte sich zurück. Verschränkte die Arme.
»Monsieur Alexandre«, wiederholte Zadira ungerührt, »ich stelle fest, dass Sie auf einen Anwalt verzichten.«
Sie öffnete die Akte.
»Wo waren Sie nach dem abendlichen Fest in der Villa?«
»In meiner Suite.«
»Victorine Hersant hat ausgesagt, dass Sie bei ihr waren.«
»Sie liebt mich. Ich weiß nicht, warum, aber sie tut es. Hören Sie nicht auf sie. Victorine ist etwa eine Viertelstunde nach mir ins Hotel gekommen, wir haben etwas getrunken. Aber dann war ich allein in meiner Suite, alles andere wäre gelogen. Das habe ich nicht nötig.«
»Damit belasten Sie nicht nur sich, sondern auch Ihre Geliebte.«
»Victorine? Machen Sie sich nicht lächerlich. Sie ist eine Frau.«
Aber sie war eine Viertelstunde lang allein mit Julie. Das reicht auch einer Frau, um jemanden zu töten.
Sie fragte sich, ob César ihr wohl von Paul erzählen würde. Und warum Amaury oder Lagadère es nicht getan hatten. Weil sie sich vor dem fürchteten, was Paul über sie zu erzählen hatte? Zadira schob die Bilder der toten Julie zu César hinüber.
»Ich möchte, dass Sie sich diese Fotos anschauen.«
Mit einem Anflug von Ärger ging César die Bilder eines nach dem anderen durch. Ihm war nicht anzumerken, ob ihn der Anblick des toten Mädchens berührte. Das war aber auch nicht Zadiras Absicht gewesen. Die Hoffnung, diesen Mann zu rühren, hatte sie nicht.
»Und?«, fragte er, als er fertig war.
»Julie war eines von vielen Mädchen, die Sie und Ihre Freunde in der Gewalt hatten. Ich weiß, was Sie getan haben. Und Sie können sicher sein, dass …«
Um seine Lippen spielte ein Lächeln, als er unterbrach: »Sie dürfen nicht glauben, dass ich Sie nicht kenne, Lieutenant Matéo. Geboren in den Marseiller Banlieues, Ihre Mutter eine Krankenschwester, die sich zu Tode gearbeitet hat. Ihr Vater ein pied-noir, der eine Polizeikugel abbekam. Und sein kleines Mädchen? Die kleine, halb arabische Zadira Camille hatte die Wahl, entweder auf den Strich oder zur Polizei zu gehen. Sie haben den schwierigeren Weg gewählt. Meine Hochachtung. Doch die Banlieues werden Sie trotzdem nie aus Ihrem Blut herausbekommen.«
Eigenartigerweise ließen seine verletzenden Worte Zadira kalt. Sie hatte sich schon Schlimmeres anhören müssen. Immerhin wusste sie jetzt, dass César seine Fühler ausgestreckt hatte. Ganz sicher wusste er auch, warum sie nach Mazan versetzt worden war. Es war an der Zeit, mit dem Geplänkel aufzuhören.
»Schön. Sie wollten mir alle Fragen
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