Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
der inneren Befreiung, entfaltete sich vor Zadiras Augen das öde Bild eines gelangweilten und überfütterten Bourgeois, der keine Erektion mehr bekam.
Zadira versuchte es auf andere Weise.
»Was geschah 1995 mit Élaine?«
»Mit wem?« Amaury leckte sich über die Unterlippe.
»Élaine de Noat. In Lacoste. Sie hat sich von der Burgruine zu Tode gestürzt, nach einem Essen mit Ihnen.«
An dieser Stelle wurde der Pudding ein wenig fester.
»Élaine. Sicher. Ich hatte ihren Namen vergessen.«
Zadira zog ungläubig die Augenbrauen hoch.
»Es ist so lange her«, versuchte Amaury sich herauszureden. »Außerdem wurden wir damals weder belangt noch konnten wir etwas für die labile Psyche dieses armen Mädchens. Was hat das denn mit diesem Fall zu tun?«
Zadira erhob sich, ohne zu antworten. Dann, kurz bevor sie den Notar verließ, fragte sie noch: »Ach, Monsieur Amaury, haben Sie eigentlich etwas gegen Katzen?«
Sie beobachtete seine Reaktion genau. Er schien ehrlich erstaunt.
»Nein, aber ich mag sie auch nicht besonders. Sie haaren mir zu viel.«
Victorine Hersant gab ohne Umschweife zu, Julie Kosmetika übereignet zu haben.
»Warum auch nicht? Das beweist doch nur meine guten Absichten.« Und ja, sie hatte Julie auch das Halsband umgelegt. Doch was nach ihrer aller Weggang im Haus geschehen war, hatte nichts mit ihnen zu tun.
»Ich verlange, dass Sie untersuchen, wer César Alexandre die Kette als Beweis für seine vermeintliche Schuld untergeschoben hat«, verlangte sie gebieterisch. »Wahrscheinlich dieser Koch. César kann es gar nicht gewesen sein, er war die ganze Nacht bei mir.«
Ach, schau an, dachte Zadira. Bei der von Minotte unterbrochenen Befragung in Ugos Büro hatte Alexandre das anders dargestellt.
»Und was haben Sie und César gemacht? Auch Schach gespielt?«
»Schach? Aber wieso das denn?«
»Sex ist doch gar nicht Ihr Ding, außer mit Jesus am Kreuz.«
Doch Victorine war von einem anderen Kaliber als Amaury. Sie versuchte gar nicht erst, ihre sogenannten Erziehungsmethoden zu rechtfertigen. Erst als Zadira auf Élaine zu sprechen kam, wirkte sie ehrlich betroffen.
»Das arme Mädchen«, flüsterte sie.
»Haben Sie denn damals nicht an Ihrem Tun gezweifelt?«, versuchte Zadira, ihre Selbstgewissheit zu erschüttern. Victorine sah sie erstaunt an.
»Nein, natürlich nicht.«
Wie eigenartig, dachte Zadira, dass ausgerechnet so oft Frauen dabei helfen, andere Frauen in den Abgrund zu ziehen.
»Mögen Sie Katzen?«, fragte sie Madame Hersant, obwohl sie nicht wirklich glauben konnte, dass Victorine der Mörder war.
»Oh ja, sehr«, antwortete die blonde Frau. »Sie sind wie wir Frauen, nicht wahr?«
Zadira klappte ihre Akte zu, als Hersant hinzufügte: »Aber natürlich ist es ärgerlich, wenn sie unkontrolliert schmutzen. Eine Zeitlang trieben sich im Garten des Hauses viele Katzen herum. Das roch ganz scheußlich. Aber darum wurde sich gottlob gekümmert.«
Zadira hielt inne.
Darum wurde sich gekümmert! Natürlich.
So wie sich darum gekümmert wurde, dass immer genug Champagner und teurer Wein im Kühlschrank war. Dass die Speisen vorbereitet waren. Dass aufgeräumt, sauber gemacht und abgewaschen wurde! Zadira spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Dass sie daran nicht gedacht hatte!
Das war der Nachteil, wenn man aus der unteren Gesellschaftsschicht kam. Man kam gar nicht darauf, dass es bei den Reichen immer dienstbare Geister geben musste. Victorine Hersant würde niemals selbst putzen oder Unkraut jäten.
Sie bemerkte gerade noch Victorines zufriedenen Blick.
Das hast du absichtlich gemacht, nicht wahr?
Natürlich, Victorine ging es jetzt darum, den Kopf ihres geliebten César aus der Schlinge zu ziehen.
»Wer hat sich denn gekümmert, Madame?«, fragte Zadira.
»Ach, das wissen Sie noch nicht?«, fragte Victorine schadenfroh. »Wie schade, denn ihn sollten Sie dringend fragen, was er zum Zeitpunkt von Julies Ableben gemacht hat.«
»Ihn?«
»Aber ja. Paul, den Concierge des Château de Mazan.«
Während Zadira César über die Kamera beobachtete, wusste sie, dass ihr jetzt der schwierigste Teil der Vernehmung bevorstand. Ihr war klar, dass die Kette allein als Beweismittel nicht ausreichte, um César Alexandre zu überführen. Selbst wenn sich seine Fingerabdrücke darauf finden ließen. Schließlich hatte keiner der vier abgestritten, dass sie Julie die Kette geschenkt hatten. Im Zusammenhang mit der Orgie und den Drogen reichte es lediglich für
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