Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Stirn auf ihren Unterarm und weinte. Es waren rauhe Schluchzer, die sie mit der Hand erstickte.
Und sich schämte.
Dafür, dass sie ihr Versprechen Julie gegenüber nicht hatte halten können. Dafür, dass sie gegen die Arroganz der Macht verloren hatte. Und dafür, dass das ganz allein ihr Fehler war.
Mit einem Mal spürte sie eine leichte Bewegung des Tisches.
Sie rührte sich nicht. Atmete ganz leise. Dann nahm sie eine Berührung an ihrem Kopf wahr. Weich und fest zugleich. Begleitet von einem warmen, tiefen Schnurren.
Sie hob langsam den Kopf und blinzelte durch ihre Tränen. Commissaire Mazan saß direkt vor ihr auf dem Tisch und stupste mit der Stirn gegen ihre. Ganz sanft. Seine Augen waren weit und tief zugleich und luden sie in seine Katzenseele ein.
»Hey, Commissaire Mazan«, flüsterte sie. »Ich dachte schon, du hättest mich verlassen.«
Er schnupperte sich an ihr Gesicht heran und dann …
… leckte er ihr doch tatsächlich mit seiner kratzigen Zunge die Tränen von der Wange.
Zadira war so überwältigt von diesem zärtlichen Liebesbeweis, dass sie beinah erneut zu schluchzen angefangen hätte. Doch da vernahm sie rasche, tapsende Schritte auf der Außentreppe.
Die Wohnungstür wurde aufgestoßen, und schon schaute Atos hechelnd in die Küche. Mazan unterbrach seine Pflegekur an Zadiras Wange, allerdings ohne sich vom Platz zu rühren. Dafür kam der Hund herangetapst, legte seinen Kopf in Zadiras Schoß und sah mit treuen Hundeaugen zu ihr auf.
»Na, das ist jetzt aber eine geballte Ladung Trost«, sagte sie leise.
Im nächsten Moment klopfte es an der Tür.
»Jemand zu Hause?«
Jules Parceval!
Zadira wischte sich hastig über das Gesicht.
»Schwer zu sagen«, antwortete sie.
»Na, das ist ja eine Antwort«, brummte Jules. Dann stand er in der Küchentür, mit zwei vollen Einkaufstaschen. Er trug ein helles Leinenhemd über einer leger sitzenden Hose.
»Hey, Doktor, du hast ja diesmal richtige Hosen an«, versuchte Zadira zu überspielen, dass sie geweint hatte. Nie hatte sie einem Mann gegenüber gezeigt, dass sie so berührbar war.
Jules machte nicht den geringsten Versuch, sie zu trösten oder irgendetwas Albernes zu sagen. Er schaute sich in der Küche um, dann fiel sein Blick auf den Herd.
»Wurde hier schon mal gekocht?«, fragte er.
»Nicht, seit ich hier wohne.«
»Na dann«, meinte er, stellte die Taschen auf den Tisch und begann auszupacken.
»Salat, Steaks und Nudeln«, sagte er. »Ist das okay?«
»Perfekt«, erwiderte sie erfreut und verlegen zugleich und musste den Kloß hinunterschlucken, der ihr im Hals saß. Wann hatte ein Mann zuletzt für sie gekocht? Hatte überhaupt schon einmal ein Mann für sie gekocht?
Als Mazan auf ihren Schoß hinabkletterte, machte Atos ihm ohne weitere Umstände Platz und bettete seinen Kopf mit einem zufriedenen Schnaufen auf ihren linken Fuß um.
Na, ihr versteht euch ja prächtig!, dachte Zadira und setzte sich vorsichtig zurecht, bis sie alle drei eine einigermaßen bequeme Position gefunden hatten.
»Es hat sich schon herumgesprochen«, erzählte Jules, während er seine Einkäufe auspackte und ihr einen kurzen Bericht lieferte. Dédé wäre vorerst wieder im Château, und im Lou Càrri gäbe es kein anderes Gesprächsthema mehr als die »reichen Pariser Säcke«, die »unsere Lieutenant« – bei dieser Formulierung stahl sich ein kleines Grinsen in Zadiras Gesicht – beinah bei den Eiern gehabt hätte.
Sie schaute Jules zu, streichelte dabei Mazan, der leise an ihrem Bauch schnurrte.
Jules öffnete den Rotwein, goss ihn in zwei einfache Gläser und reichte ihr eines.
»Wie wär’s«, fragte er, »heute wird nicht mehr über den Fall gesprochen?«
Zadira nahm das Glas und sagte: »Einverstanden.«
Während Jules mit ruhigen, geschickten Bewegungen den Salat zubereitete und Nudelwasser aufsetzte, unterhielt er sie mit kleinen Geschichten, die er bei der Arbeit erlebt hatte. Zadira hörte zu, streichelte Mazan, der schnurrte, betrachtete Atos, der hin und wieder schmatzte, und nach und nach schwand ihre Verzweiflung. Ohne dass sie groß darüber nachdachte, begriff sie mit jeder Zelle ihrer Existenz, dass dies das wahre Leben war. So einfach. Und so reich.
Sie sollte ihr Misstrauen gegen die ganze Welt wenigstens für einen Moment vergessen und sich stattdessen ganz dem Gefühl hingeben, ein Zuhause zu haben. Morgen würde sie die Realität wieder einholen. Doch dieser Abend sollte ihr gehören. Ihr und ihren
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