Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Marquis de Sade war?«
Zadira drückte die Spülung. Als sie aus dem WC kam, fragte Madame Roche: »Oder mögen Sie lieber Frauen?«
»Zu Victors Zimmer geht es hier entlang?«, erkundigte sich Zadira statt einer Antwort und stieg die enge, knarzende Treppe nach oben.
Der Teenager stand nervös vor seinem Kleiderschrank, als Zadira sich gemütlich auf das unordentliche Bett setzte.
Sie schaute Victor an, ohne etwas zu sagen. Er wand sich unter ihrem durchdringenden Blick.
» Merde, ich mein, sorry, ach, so ein Mist. Es ist echt nur für mich, ja, ich deal nicht damit oder so, kéo?, ich mein, okay?«
Zadira schwieg weiter.
»Raffa und ich haben nur … zum Spaß … ich mein, jeder im Lycée macht das …«
Sein Blick glitt zu seiner Sporttasche.
»Ist nicht dein Ernst. Echt? In den Nikes?«, fragte Zadira.
Der Junge wurde erst knallrot, dann tiefblass.
Er nickte.
»Die möchte ich lieber nicht anfassen, Victor.«
»Okay.« Rasch kniete er nieder und fummelte das Alupäckchen mit dem Klumpen Gras aus seinen Sportschuhen hervor. Zadira musste nur noch die Hand ausstrecken. Bereitwillig ließ Victor es hineinfallen.
»Krass«, flüsterte er fahrig. »Komm ich jetzt in den Knast?«
»Hmmh«, machte sie und tat so, als müsste sie überlegen.
»Oh, merde, merde, merde! «
Zadira ließ ihn zappeln. Dann sagte sie: »Buchen wir es unter Ferienerlebnis ab. Aber hör auf zu kiffen. Du machst deine Großtante damit unglücklich. Ich kontrolliere dich nicht, ich geh davon aus, dass wir uns verstanden haben.« Sie stand auf. » Salut, Victor. Man sieht sich.«
Es dauerte, bis er begriff, dass sie ihn davonkommen ließ.
Sie genoss seine heruntergeklappte Kinnlade, bevor er antwortete: »Ähhh … geht klar.« In seinen Augen stand grenzenlose Bewunderung.
Auf dem Treppenabsatz wartete Éloise Roche. Sie reichte Zadira ein Keramiktöpfchen.
»Ach, Madame Roche, das wäre doch nicht nötig …«
»Das ist auch nicht für Sie«, unterbrach Éloise Roche sie. »Das ist ungesalzene Thunfischpastete. Für Tin-Tin. Wenn er das riecht, wird er Ihnen vertrauen.« Die alte Lehrerin lächelte und zog ein Foto hervor. »Und das ist er. Bitte, finden Sie ihn.«
4
J ulie liebte die sechs großen Gartenzimmer des Château de Mazan, die sie heute Vormittag zu reinigen hatte. Jedes Zimmer verfügte über eine eigene, nicht einsehbare Terrasse mit Zugang zum Garten, der jetzt, Anfang Juli, in voller Blüte stand, von Düften durchzogen und von Schmetterlingen bevölkert. Über den Suiten befand sich die große, mit Holz ausgelegte Restaurantveranda des Vier-Sterne-Hotels, und über dieser wiederum zwei weitere Stockwerke mit Zimmern und Suiten. Dank geschickter Efeu- und Paravent-Konstruktionen war es nicht möglich, die intimen Patios der Gartensuiten einzusehen.
Auf der Gartenebene waren noch das Weindepot und das Wäschelager untergebracht, der Zugang zur Feuerfluchttür, die auf eine stille Gasse der Altstadt hinausführte, und ein zweites Kühlhaus, in dem der Chefkoch Frédéric im Winter reichlich Vorräte einlagerte. Im Sommer, wenn jeden Tag frische Ware angeliefert wurde, war es so gut wie ungenutzt.
Julie trug noch ihre Putzhandschuhe, als sie nach dem Reinigen von Suite 205 ehrfürchtig den edlen Parfümflakon vom Marmorwaschtisch nahm. Sie hielt ihn auf Armeslänge von sich weg, betätigte den Sprüher und genoss den dunklen, erregend teuren Duft, der sich daraufhin entfaltete. So also rochen erfolgreiche, attraktive Männer.
Männer wie Monsieur César Alexandre.
Nicht nach dem Duschgel aus dem U-Express-Markt, das Dédé benutzte. Dieser peinliche crétin aus der Hotelküche, der förmlich Wasser anbrennen ließ, wenn Julie in der Nähe war.
Julie sprühte noch einmal und stellte das Fläschchen dann exakt an die Stelle zurück, an der es vorher gestanden hatte. Das hatte sie als Erstes gelernt, als sie hier vor einem halben Jahr als ungelernte Aushilfskraft begann: Alles musste perfekt gereinigt sein, aber kein Gast durfte das Gefühl haben, dass seine intimen Utensilien angefasst wurden.
Als Nächstes griff Julie nach dem weißen Hemd, das der Gast von 205, Monsieur César Alexandre, achtlos über den Wannenrand geworfen hatte. Was für ein kostbarer Stoff. Julie hängte es auf einen Holzbügel und zog ihre Handschuhe aus, um das feine Garn zu betasten. War das Schweizer Batist? Exklusiver ging es kaum. Sie knöpfte das Hemd voller Bewunderung zu.
César Alexandre. Julie hatte ihn heute früh mit
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