Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
zwei weiteren Herren und einer sehr eleganten, unglaublich schönen blonden Frau beim Frühstück gesehen. Das betuchte Quartett aus Paris war zwar nicht jedes Jahr um die gleiche Zeit hier, kam aber regelmäßig, das hatte ihr Paul von der Rezeption erzählt. Paul teilte sein Wissen über die Gäste gern mit ihr. Auch dass Monsieur Alexandre in der Regierung arbeitete und er und seine Freunde zu den einflussreichsten Familien Frankreichs gehörten, wusste Julie von ihm.
Was solche Leute nur an diesem Dorf finden, dachte sie, während sie das Hemd streichelte. Warum fuhren sie nicht nach Saint-Tropez? Nach Antibes? Oder auf die Malediven?
Die vier Gäste hatten alle sechs Gartenzimmer gemietet, und das zu Hochsaisonpreisen. Sie wollten hier unten ihre Ruhe haben und nutzten die beiden zusätzlichen Zimmer als Speise- und als »Spielzimmer« für Schach und Kartenspiele, wie Paul zu vermelden gewusst hatte. Manchmal fragte sich Julie, was Paul sonst noch so alles wusste. Aber ihr nicht erzählte.
Die vier waren sehr höflich zu allen Angestellten des Châteaus. Ein Beweis dafür, dass sie wirklich sehr reich waren und es nicht nötig hatten, nach unten zu treten, um nach oben zu kommen. Sie waren nicht so wie diese neureichen Amerikaner und Russen, die über Julie hinwegredeten, als sei sie ein Schirmständer. Die sie umherschickten wie ein Apportierhündchen, oder, vor allem wenn die Männer getrunken hatten, ihr eindeutige Angebote machten.
Es war den Angestellten des Hotels strikt untersagt, sich mit den Gästen einzulassen, auch außerhalb der Dienstzeit. Julie hatte es trotzdem getan. Zwei, drei Mal im Stehen, mit dem Oberkörper übers Bett gebeugt, vor der Kommode. Nicht wegen des Geldes und nie mit den wirklich Betrunkenen, sondern weil sie neugierig war. Und ein bisschen auch, weil sie hoffte, dass einer von ihnen sie ernst nahm. Und mehr in ihr sah als nur eine kleine Hotelmaus.
Julie nahm den Bügel, ging durch den grau gekachelten Salon der Suite ins Schlafzimmer mit dem breiten Polsterbett und hielt das Hemd ins Tageslicht, um sein feines Garn schimmern zu sehen. Sehnsüchtig streichelte sie es. Wachsam glitt ihr Blick in Richtung Garten. Doch es blähten sich nur die zarten Vorhangschals im warmen Wind, während die Zikaden ihre ewige Frage zirpten: »Was? Was? Was?« Und auch in dem hohen, gelben Herrenhaus herrschte die Ruhe der Beschäftigten.
Monsieur war beim Golfen, wie Paul wichtigtuerisch erwähnt hatte, bevor er Julie seine neuen Schuhe vorgeführt hatte. Der Concierge liebte handgenähte Rahmenschuhe. Julie fragte sich, wieso. Die konnte man hinter dem Rezeptionstresen doch sowieso nicht sehen. Aber, bitte, wer es sich leisten konnte. Sie seufzte. Sie konnte sich nie etwas leisten. Aber vielleicht, wenn André Ugo, der Manager, sie doch noch von der Aushilfe zum Azubi befördern würde? Sie war ihm dankbar, dass er sie aus Montbrun-les-Bains weggeholt hatte. Aber wollte sie überhaupt hierbleiben?
»Nein«, flüsterte sie.
Sie wollte …
Eine huschende Bewegung im Garten riss sie aus ihren Gedanken. Julie lächelte, als sie ihre Freundin erkannte. Eigentlich war das kleine Wesen, das sich jetzt im Schutz der blühenden Büsche heranpirschte, die einzige Freundin, die sie hier in Mazan hatte. Und auch die einzige, die ihr Trost spendete.
» Salut, Manon«, wisperte Julie.
Die ingwerfarbene, schlanke Katze mit dem irritierend schönen Gesicht und den beseelten, grünen Augen, sah verschreckt zu ihr auf, blieb verängstigt außerhalb der Reichweite ihres Arms im Patio sitzen.
»Was hast du denn, Manon?«, flüsterte Julie stirnrunzelnd. Die Katze, die dem Chorleiter Brunet gehörte, hatte noch nie Angst vor ihr gehabt. Wie oft schon war Manon des Nachts auf flinken Pfoten über die Dächer zu ihr gekommen, wenn Julie am offenen Fenster saß und von einem anderen Leben träumte. Hatte sich schnurrend an sie geschmiegt und ihr damit das Gefühl gegeben, geliebt zu werden.
Wie hatte Julie Manon um die Freiheit beneidet, über den Dächern zu tanzen und nur den Sternen zu folgen.
»Hast du etwa Ärger mit einem Kater gehabt?«, fragte sie.
Julie ging mit dem Hemd in der Hand zu dem Jugendstilschrank neben der Terrassentür und hängte es vor den Spiegel. »Vielleicht mit deinem Liebhaber?«
Im Spiegel traf Julies Blick auf den von Manon. Grüne und braune Augen, die sich ansahen.
»Du hast doch sicher Liebhaber, oder?«, fragte die junge Frau die Kätzin spitzbübisch.
Manons Ohren
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