Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Sensoren an Barthaaren und Fell erzittern ließ. Aber wenn sein Blick und vor allem seine Nase dann herumfuhren, war da nichts mehr. Nur unzählige bunte Echos in der Luft. Zarter als Rauch.
Er lauschte angestrengt, während er in dunkle Winkel und durch kühle Straßen huschte. Da! Pfoten auf Gesimsen, die hoch oben an den Häuserwänden entlangführten. Zischender Atem, als ein Körper nach einem Sprung federnd aufsetzte. Ein leises Knurren über ihm, als er unter einem Erker hindurchlief.
Sie sind da.
Doch warum zeigten sie sich nicht? Warum taten sie nichts?
Es dauerte, bis er die Antwort fand. Sie lag unter all den anderen Spuren von Katzen, Menschen, Essen und Blüten verborgen.
Angst.
Vibrierende, frische Angst. Sie sprudelte durch jeden Geruch, jede Spur, sie war so viril wie Blut. Die Katzen fürchteten sich in dieser Nacht.
Vor mir?!
Wohl kaum.
Mit dumpf pochendem, blutverklebtem Ohr und einem nagenden Hunger in den Eingeweiden schleppte er sich weiter durch die schmalen Gassen.
Und dann hatte er es entdeckt.
Das Versteck.
Von seinem Platz unter dem Magnolienbaum aus beobachtete er jetzt in der Morgendämmerung die düstere, efeubewachsene Hauswand. Natürlich hatte es ihn gewundert, dass dieser Garten als einziger nicht markiert war. Doch er war letzte Nacht viel zu erschlagen gewesen, um sich noch groß darüber Gedanken zu machen. Bei seinem ersten, vorsichtigen Rundgang hatte er sich nur noch versichert, dass keine unmittelbare Gefahr drohte, und sich dann unter dem Magnolienbaum in einem Nest von weißem Lavendel zusammengerollt. Nun aber, da der Morgentau die Gerüche aus dem Boden und den Steinen herauswusch und für eine kurze Zeitspanne die Spuren vergangener Ereignisse auffrischte, da erkannte er es.
Hier waren Katzen gestorben.
Nicht nur einmal.
Er rekapitulierte, welche Düfte und Farben er gestern Nacht wahrgenommen hatte, und fügte die frischen Eindrücke hinzu. Milchbrotkotbenzinjasminaprikosenmannputzflüssigkeitgift … Gift!
Rattengift! Diesen Geruch hatte er zu erkennen gelernt, nachdem er einmal eine junge Kätzin nach dem Verzehr eines Fleischbällchens hatte sterben sehen. Er hatte den Anblick ihrer Krämpfe nie vergessen und sich daraufhin den speziellen böse-weißen Geruch der Futterreste eingeprägt.
In diesem Garten hatte jemand Katzen vergiftet. Ihn würde es nicht erwischen, da war er sich sicher – eher biss er sich den Schwanz ab.
Er fragte sich, ob der Schatten, der am gestrigen Abend versucht hatte, die Kätzin zu töten, auch der Giftleger war. Und ob er hinter der efeubewachsenen Hauswand wohnte.
Seine Witterung lieferte ihm widersprüchliche Wahrnehmungen.
Einerseits hing dem Haus der Geruch langer Verlassenheit an. Andererseits hatte dort vor kurzem ein Mensch die tote Luft aufgerührt und das Haus nach einem Winterschlaf wieder zum Leben erweckt.
Fast war es, als ob die Tür mit der stumpfen Glasscheibe, die in den Garten führte, ihn beobachtete und voller Spott mit seiner Neugier spielte. Er spürte eine unheilvolle Kraft dahinter.
Das wütende Knurren seines Magens erinnerte ihn daran, was das Wichtigste war: Er musste etwas zu fressen finden. Er lief zu der Gartenmauer und dem verschlossenen Holztor, das zur Gasse führte, und witterte. Nichts zu sehen, nichts zu spüren. Er hoffte, dass der Chef der hiesigen Katzen noch frühstückte. In einem Kampf hätte er nicht viel aufzubieten gehabt.
Es geschah, als er gerade unter dem Tor hindurchgekrochen war. Etwas sprang ihn an. Sein Instinkt ließ ihn augenblicklich reagieren. Er ging in Verteidigungsstellung, duckte sich und spannte seine Muskeln an. Er würde …
»Ich bin ein großer, böser Kaaaaater!«
Im letzten Moment, bevor der Wanderer im Kampfmodus zurückschlug, registrierte er, dass sein Gegner die Größe eines Eichhörnchens hatte. Und die Farbe einer Ratte. Zugegebenermaßen einer edlen, blaugrauen Ratte.
Der kleine Kerl sprang ihm beherzt an den Hals, umklammerte ihn mit seinen Pfötchen, verbiss sich in sein Fell und nuschelte triumphierend: »Jetft hab if dif.«
Einen Moment lag wusste der Wanderer nicht, wie er reagieren sollte. Was wollte dieser Krümel?
»Was willst du?«
»If bin ein grofer, böfer Faper.«
»Was? Du bist ein großer, böser was?«
»Faaaaper! Und du bifft mein Gefangener!«
Der Wanderer richtete sich auf. Was dazu führte, dass der kleine Kerl hilflos von seinem Hals rutschte. Auf dem Rücken liegend, schlug er mit den kleinen Pfötchen nach
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