Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
sie zu bemerken glaubte, dass Richter Lagadère ihm manchmal beinah feindselige Blicke zuwarf. Doch dann folgte sie wieder atemlos den Themen, über die die vier so anregend sprachen. Über das Leben in Paris und am Meer. La Baule, Saint-Tropez, Monaco, Namen wie funkelnde Juwelen. Und immer bezogen sie Julie in die Gespräche mit ein: »Ach, Sie werden sehen, Julie …« und »Dort werden alle Augen auf Sie gerichtet sein, Julie.«
Der Champagner war Julie längst zu Kopf gestiegen. Auch spürte sie zwischen den Beinen ein seltsames Brennen, einer beginnenden Blasenentzündung ähnlich, nur angenehmer. Es breitete sich in ihrem Schoß aus, in ihrem Magen und auch in ihrem Mund. Sie trank mehr Champagner. Antwortete bereitwillig auf alle Fragen, die ihr die Herren und Victorine abwechselnd stellten, und freute sich, wenn sie mit Wohlwollen ihren Antworten lauschten. Ob sie gläubig sei? Welchen Beruf sie sich als Mädchen gewünscht habe? Und ob es ihr Sorgen bereite, auf was sie sich einließe?
Bei der letzten Frage schüttelte Julie vehement den Kopf.
»Nein. Ich bin glücklich. Und ich bin Ihnen allen sehr dankbar.«
»Wie rührend«, murmelte Alexis etwas spöttisch, aber Monsieur Alexandre legte zärtlich seine Hand auf die ihre.
»Das ist gut«, sagte Monsieur Amaury, »denn nichts geschieht ohne Ihre Mitsprache, Julie. Und um das zu bekräftigen, werden wir all unsere Verabredungen schriftlich festhalten.«
Er zog aus der Innentasche seines Sakkos einen mehrseitigen Vertrag hervor, den er vor ihr auf den Tisch legte.
»Wir alle haben bereits mit unseren Namen gezeichnet, Julie. Und wenn Sie unterschreiben, haben Sie die rechtliche Sicherheit, dass wir Ihnen Ihr Stipendiat gewährleisten. Es ist so etwas wie ein Arbeitsvertrag.« Er legte einen Montblanc-Füller neben den Vertrag.
Sie starrte auf das Schriftstück. Aus dem bleischwarzen Meer der Worte schienen sich einige grell herauszuheben. Worte wie: »Aufgaben der Stipendiatin«, »Aufwandsentschädigungen der Stipendiatin«, »Pflege, Dienstkleidung und Erreichbarkeit«. Worum ging es denn da nur? Aber vielleicht war sie auch schon zu betrunken? Sie las weiter. Verantwortungsübertragung? Berichtspflichtige eigenmächtige Handlungen? Weisungsfreie Zeiten? Ermessens-Sanktionen?
Julie verstand das alles nicht.
»Aber … was denn für Sanktionen?«, fragte sie leise.
»Das ist ein anderes Wort für Abmahnungen«, erklärte Amaury ihr sanft. »Jeder Arbeitgeber behält sich vor, im Falle eines Verstoßes, wie zum Beispiel eines Diebstahls, eine Sanktion auszusprechen.«
Julie blätterte weiter. Einverständniserklärung, Willenserklärung. Und ein Sparbuch-Auszug, ausgestellt auf ihren Namen. Sie las den Betrag und konnte es kaum fassen. Fünftausend Euro!
»Aber ist das denn nötig, so ein Vertrag?«, fragte sie trotzdem mit dünner Stimme.
Sie sah in die Gesichter ihrer neuen, nun ja, Freunde? Sie wirkten angespannt, Victorine sogar ärgerlich.
Nur César sah sie feierlich, zärtlich – und wehmütig an.
»Ach, Julie. Du wirst mir fehlen«, sagte er leise.
Das gab den Ausschlag. Sie schraubte den Montblanc mit bebenden Fingern auf und malte sorgfältig ihre Unterschrift auf die gepunkteten Linien. Amaury half ihr, umzublättern und auf jeder der acht Seiten zu unterschreiben.
Dann wollte sie ihm den Füller zurückgeben.
»Behalt ihn«, sagte er leichthin.
Victorine atmete auf. »Du hast uns gerade sehr, sehr glücklich gemacht, Julie«, erklärte sie. Und zauberte ein Kästchen hervor, aus dem sie eine prächtige Kette mit roten Steinen hervorholte.
»Das sind Rubine«, erläuterte sie, während sie um den Tisch ging und hinter Julie trat, um ihr mit einer feierlichen Geste die Kette um den Hals zu legen.
»Die Kette wird das Symbol unseres Bündnisses sein, Julie.«
Amaury goss Champagner nach. Sie stießen an, und Julie fühlte, wie sich in ihr ein Jauchzen bildete, aus Freude, Erleichterung und einem unfassbar intensiven Glücksgefühl.
»Und jetzt, Julie«, befahl Victorine auf einmal kalt, »möchte ich dich bitten, dich auszuziehen.«
»Mich … aber …?« Julie starrte ihre neue Freundin hilflos an. Die lächelte nicht mehr.
Da erhob sich die junge Frau und begann zögernd, ihr Kleid zu öffnen.
Zusammengerollt lag Julie auf dem Bett im ersten Stock des Hauses. Ihre Tränen waren längst versiegt. Wenn sie den Kopf etwas drehte und nach oben schaute, konnte sie ihren nackten Körper im Spiegel über dem Bett sehen. Aber
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