Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
Gesicht sich aus dem Dunkel des Flures herausschälen würde.
13
D ie Stille in seinem Inneren war so absolut, dass ihm sein eigener Atem in den Ohren dröhnte.
Glücklicherweise kannte Mattia diese Phase des Schweigens. Doch als er vor vielen Jahren das erste Mal in diese Stille hatte lauschen müssen, war er zutiefst entsetzt. War er nun verflucht? Wartete die Hölle mit Heerscharen von Teufeln und endloser Qual auf ihn? Doch dann hatte er begriffen, dass diese Vorstellungen ihm nur von einer toten Religion vorgegaukelt wurden. Dass er die Hölle nicht zu fürchten brauchte. Dass die Gesetze, die sein Vater ihm hatte einprügeln wollen, keine Gültigkeit mehr besaßen.
Nicht für ihn.
Die Stille war die Einsamkeit des Sieges.
Manchmal frustrierte es Mattia, dass er diesen Moment allein erleben musste, weil der Engel nach dem kraftvollen Akt der Zerstörung einfach in einen satten tiefen Schlaf fiel.
Dieser letzte Akt war stärker gewesen als alle anderen zuvor. Es war … es war … Warum konnte Mattia es nicht sehen, was in diesem Haus geschehen war?
Er erinnerte sich nur, wie der Engel seine Flügel zu entfalten begonnen hatte. Das war, als die kleine Hexe ihn erkannt hatte. Aber schon kurz darauf begannen die Ereignisse, sich ihm zu entziehen. Er erinnerte den Schrecken in ihren Augen, ihre Angst, das Begreifen dessen, was sie erwartete; Gefühle, die der Engel aufsog wie Nektar und die ihn wachsen ließen, immer größer, bis seine Flügel das Firmament umspannten. Da war sie schon ein wimmerndes Häufchen Elend gewesen. Doch der Engel hatte nicht genug gehabt. Als sich die Lider über seinen Feueraugen öffneten …
Frustriert wurde Mattia klar, dass sich ihm alles Weitere entzog. Es war, als wäre sein Geist unfähig, an den Ort zu gelangen, an dem die Erinnerungen aufbewahrt wurden. Ein Tresor, zu dem der Engel den Schlüssel hatte. Der jetzt den Schlaf des zutiefst befriedigten Liebhabers schlief. Und Mattia alleinließ in der kalten, wortlosen Stille, in der ihm sein eigener Atem in den Ohren dröhnte.
Doch es lag nun an ihm, Mattia, alles zu überwachen. Und das erforderte höchste Kontrolle. Vielleicht war es deshalb sogar besser, dass der Engel sich zurückgezogen hatte, denn jetzt konnte Mattia sich ganz darauf konzentrieren, was die anderen unternahmen, und gegebenenfalls rasch reagieren. Ein Tod schlug immer Wellen.
Er verachtete es, mit welcher Neugier und Sensationslust die Menschen sich auf die Umstände dieses einfachen und elementaren Vorganges stürzten. Doch er durfte nie vergessen, dass sich auch in der Meute der Geifernden immer ein Jäger verbergen konnte.
Auch seine Taten, so fehlerlos jede einzelne gewesen sein mochte, legten in ihrer Gesamtheit eine Spur, auf die ein Jäger stoßen könnte.
Wenn einer kam, der gut genug war.
Mattia hatte jedoch das unruhige Gefühl, dass es den bereits gab. Er spürte seine Nähe. Da draußen war ein Jäger.
Und dann gab es noch zwei Dinge, die ihn beunruhigten.
Das erste war verborgen in seiner fehlerhaften Erinnerung an die vergangene Nacht. Obwohl er ganz und gar auf die Kraft und die schicksalhafte Führung des Engels vertraute, gab es da diesen winzigen Splitter, den er nicht fassen konnte: Irgendwo gab es einen Makel in der perfekten Inszenierung von Schmerz und Tod. Irgendetwas war nicht richtig. Aber er fand den Fehler nicht.
Und da war noch diese verfluchte Stadt.
Diese Stadt und die ständige Präsenz dieser verdammten Katzen mit ihren allwissenden Blicken, die ihn aus dem Dunkel zu verfolgen schienen.
14
I ch bin keine Frau für eine feste Beziehung.«
Sie saßen sich gegenüber, Zadira auf dem Boden, Commissaire Mazan auf seiner Decke.
»Und so gut ich dich auch leiden kann, nur weil du drei Nächte in meiner Wohnung warst und dich auskuriert hast, heißt das noch lange nicht, dass du jetzt hier wohnst.«
Der schwarze Kater leckte sich unbeeindruckt die Pfote.
»Wenn du also wieder gehen kannst, dann geh«, sagte Zadira mit rauher Stimme. Doch, sie meinte, was sie sagte. Völlig unabhängig von der Tatsache, dass sie seit Sonntagabend viel lieber nach Hause kam als zuvor. Um genau zu sein: ihr ungewolltes Exil unterm Dach zum ersten Mal »Zuhause« nannte.
Sie hatte sich von Madame Roche ein Katzenklo besorgt, außerdem Thunfischpastete, Trockenfutter, ein Schälchen und eine Zeckenzange. Außerdem schien dieser Tierarzt Commissaire Mazan auch etwas gegen seine Flöhe verabreicht zu haben. Sie hatte die toten
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