Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
sie mied diesen Blick, denn ihr Körper war ihr fremd geworden.
Benommen versuchte sie zu verstehen, was ihr widerfahren war. Doch ihre Gedanken wollten ihr nicht gehorchen. Sie spürte den Schmerz an ihrem Gesäß, ihren Schenkeln und an ihren Brüsten. Gleichzeitig summte ihr Geschlecht noch von der harten Lust, die es erfahren hatte. Der Schmerz und die Lust vermischten sich, und sie wusste nicht mehr, wo das eine aufhörte und das andere begann. Noch schlimmer aber war die Scham.
Darüber, wie sehr sie sich selbst erniedrigt hatte.
Dabei war es nicht ihre Nacktheit gewesen, die sie als demütigend empfunden hatte. Im Gegenteil, nachdem die Herren ihre körperlichen Vorzüge überschwenglich gelobt hatten, war es ihr bald ganz natürlich vorgekommen, sich nackt, bis auf die Strümpfe und die High Heels, zwischen ihnen zu bewegen. Julie hatte ihnen all die kulinarischen Köstlichkeiten aufgetragen, die sie zwar schon oft in Frédérics Küche gesehen und den Gästen im Restaurant serviert, aber selbst noch niemals gekostet hatte. Austern. Hummer. Trüffel. Jakobsmuschelherzen. Nun durfte sie von allem kosten. Als Monsieur Amaury sie niederknien ließ, um sie dann mit Austern zu füttern, hatte sie kichernd mitgespielt. Und immer wieder gab es Champagner. Auch wenn sie es ein wenig abstoßend fand, dass Monsieur Lagadère ihr das kühle Getränk über die Brüste goss, um diese dann abzulecken. Dabei biss er ihr so heftig in eine Brustwarze, dass sie vor Schreck aufschrie. Woraufhin Madame Victorine dem Richter auf die Finger klopfte und er schwer atmend von ihr abließ.
Puccini. Un bel dì vedremo, so hieß die Arie, die all ihre Erinnerungsbruchstücke durchzog. Sie hatten sie gespielt, als Julie auf einem Stuhl hinter dem Paravent saß, weit zurückgelehnt, während Madame Victorine hinter ihr stand und ihre Handgelenke festhielt. Das flackernde Licht der Kerzen warf ihre Schatten auf die halb durchsichtige Seide des Wandschirms. Monsieur César kniete vor ihr, zwischen ihren weit geöffneten Beinen, und spielte das Spiel mit den ölgetränkten Lederhandschuhen. Sie hatte ihre Lust so hemmungslos herausgeschrien, dass Madame Victorine ihr den Mund zuhielt.
Sie erstickte jedoch nicht ihr Wimmern, als Monsieur Amaury Julie danach über einen ledernen Bock im Nebenzimmer schnallte und der Richter sie ohne Rücksicht auf ihre Tränen mit der Gerte züchtigte. Doch das Schlimmste war, dass sie sich später auf Knien demütig bei den Herren für deren Gunstbeweise bedanken musste.
Madame Victorine war noch bei ihr geblieben, als ihre Freunde schon gegangen waren. Sie nahm Julie in den Arm und tröstete sie. »Der Anfang ist schwer, meine Kleine«, hatte sie geflüstert. »Ich weiß es, glaube mir, ich weiß es.« Dann sprach sie von dem schönen Leben, das Julie erwartete.
»Alles wird gut werden, Julie, alles wird gut.«
»Wirklich, Madame?«, schluchzte Julie.
»Aber ja, Kleines«, sagte Madame lächelnd.
Zuletzt hatte sie Julie noch aufgetragen, diese Nacht im Haus zu bleiben. »Hier bist du sicher.«
Sie könnte tun, was sie wollte, doch sollte sie aufpassen, niemanden auf sich aufmerksam zu machen.
»Morgen kommt jemand, der sich um dich kümmert«, erklärte Madame noch zum Abschied. »Du kannst ihm vertrauen.«
Dieser letzte Satz hatte sich in Julie festgesetzt. Doch er fühlte sich genauso fremd an wie ihr eigener Körper. Ihr war kalt, und sie war hungrig. Es waren diese einfachen Bedürfnisse, die sie dazu brachten, sich vom Bett zu erheben. Sie schlang sich die helle Überdecke um den Leib und tapste mit wackeligen Knien auf den hohen Stilettos den Flur entlang und die Treppe hinunter. Als sie im Salon stand und auf die Essensreste starrte, verging ihr der Appetit. Stattdessen tauchten vor ihrem inneren Auge erneut die Szenen auf, die sich dort abgespielt hatten.
O Gott. Ich habe den Vertrag unterschrieben!
Sie ging zu der Stereoanlage und drückte auf den Startknopf, weil sie die Stille und Leere nicht länger ertragen konnte.
Puccini. Madame Butterfly. Erneut fühlte sie wieder den Schmerz, die Lust, die Demütigung. Schon zuckte ihre Hand vor, um die quälende Musik zu stoppen, als sie mit einem Mal ein schabendes Geräusch an der Eingangstür vernahm. Julie fuhr herum. Kamen sie zurück?
»Bitte nicht«, flüsterte sie voller Angst. Dann fiel ihr ein, dass Madame gesagt hatte, jemand würde sich um sie kümmern.
Du kannst ihm vertrauen.
Julie wartete mit pochendem Herzen, welches
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