Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
vibrierend. Niemals satt. Bereit, erneut zuzuschlagen.
Mazan horchte auf, als Lieutenant Matéo dem Doktor zu erzählen begann, wie sie über Julies Tod dachte. Er spürte ihre verzweifelte Wut, mit der es sie trieb, den Mörder von Julie zu finden.
Manons Freundin.
Er begriff, dass sie nicht aufgeben würde, ehe sie es geschafft hatte. Für diesen unbedingten Willen bewunderte er sie.
»Dieses Haus wirkt, als wäre es eine Art Luxus-SM-Club«, sagte Lieutenant Matéo gerade. »Nur dass dieses Mal nach einem Diner eine tote junge Frau im Garten lag.«
»Vielleicht ist einem der Teilnehmer die Sicherung durchgebrannt«, mutmaßte der Doktor.
»Und dann legen sie die Leiche einfach im Garten ab und spazieren nach Hause?«
»Was sollten sie sonst machen? Sie im Kofferraum ihres Wagens wegschaffen?«
»Apropos Wagen«, sagte Lieutenant Matéo, »ich war heute im Château.«
Ach, du auch?
»Weil Julie da gearbeitet hat?«
»Richtig, und wissen Sie was, Doktor …?«
»Ich wünschte, Sie würden mich Jules nennen.«
»Mir gefällt dieser Kasten nicht, Jules.«
Mir auch nicht.
»Also, ich habe dort die ersten Tage gewohnt, und ich fand es sehr angenehm. Die Zimmer sind stilvoll und sauber, der Service ist hervorragend und das Essen im L’Ingénue wirklich exzellent.«
Lieutenant Matéo betrachtete Jules auf eine Weise, die Mazan auf einmal sehr neugierig werden ließ. Einerseits schien sie Jules anfauchen zu wollen. Andererseits suchte sie seine Aufmerksamkeit.
Commissaire Mazan kannte dieses Verhalten von Kätzinnen, vor allem wenn sie in ihre Paarungszeit kamen.
»Sie mögen diese Welt, nicht wahr?«, fragte Zadira mit einem gefährlichen Unterton, den der Doktor aber nicht zu bemerken schien.
»Welche Welt meinen Sie?«, fragte Jules unbefangen.
»Weiße Tischtücher, Champagner, Trüffel. ›Oui, Monsieur‹, ›Aber gern, Monsieur‹, ›Ganz, wie Sie wünschen, Monsieur‹. Das ist Ihre Welt, nicht wahr?«
Doktor Jules sah aus wie ein Kater, der gerade ohne Vorwarnung angefaucht worden war.
»Ähm …, ja, schon.«
Sie stand abrupt auf, nahm ihm sein Glas ab und verschwand im Inneren des Hauses. Doktor Jules sah so aus, als wenn er jetzt am liebsten gegangen wäre.
Lass dich doch nicht täuschen. Kätzinnen sind so, wenn ihre Zeit kommt. Ihr Fauchen ist ein Test.
Mazan versuchte, Doktor Jules’ Blick einzufangen, doch der war in Gedanken versunken. Auch Atos schaute nun sorgenvoll zu seinem Herrchen auf und winselte fragend.
»Voilà, Doktor Jules«, spottete Lieutenant Matéo, als sie mit zwei aufgefüllten Gläsern zurückkam, »Medizin für reiche Söhnchen, die in die Provinz abgeschoben wurden.«
Doktor Jules nahm das Glas nicht, das sie ihm hinhielt.
»Das macht Ihnen wohl Spaß, oder?«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Was denn, Doktor?«, fragte Lieutenant Matéo betont harmlos.
»Menschen anzugreifen, die nicht Ihren Jargon draufhaben. Die nicht die harte Realität irgendwelcher abgefuckten Vorstädte kennen. Die guten Wein trinken. Und dabei haben Sie jederzeit die Möglichkeit, auch noch die Rassistenkarte auszuspielen. Aber wissen Sie was? Sie grenzen genauso aus, Madame. Sie sind genauso rassistisch wie jedes verdammte Weißbrot, das auf Schwarze, Schwule oder die Banlieues herunterschaut.«
Ja, richtig. Du musst sie auch anfauchen. Sie wollen dich respektieren können!
Lieutenant Matéo starrte den Doktor an. Mazan bemerkte, wie es in ihr arbeitete. Und er nahm wahr, wie sich ihr Geruch veränderte – von wütend in warm.
Schließlich hielt sie dem Mann erneut ein Glas hin.
»Hey, Doktor Jules, du kannst ja richtig aufdrehen«, sagte sie leise. Fast purrend, fand Mazan.
Doktor Jules nahm das von der Kälte des Getränks beschlagene Glas entgegen.
»Duzen wir uns jetzt endlich?«, fragte er.
»Ich dachte schon, du fragst nie. Hi. Ich bin Zadira.«
»Hi. Ich bin Jules, Zadira. Toller Name. Algerisch?«
»Hmmh«, bejahte sie. »Mein französischer Name ist Camille. Aber so darfst du mich erst nennen, nachdem wir zusammen durch richtig tiefe Scheiße gewatet sind.«
Doktor Jules antwortete mit einem Grinsen: »Mir gefällt Zadira ganz gut. Das mit dem In-der-Scheiße-Waten muss also nicht sein.«
Sie lachte leise, kehlig.
Die Gläser klickten aneinander.
»Also, Jules, was hat dich in dieses reizende Provinznest verschlagen?«
Er verzog das Gesicht. »Um genau zu sein: ein Vater, der nicht nur der bedeutendste Hirnchirurg von Paris ist,
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