Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
der anderen Männer vernehmen, der kleinere, dickere mit den kräftigen Augenbrauen und fleischigen Wangen. »Und Sie sind wer?«, fragte der Hagere mit dem kantigen Gesicht nach.
Die Frau schwieg. Auch das merkte Zadira. Schweigen war immer eindeutig. Wer schwieg, musste nicht lügen.
Zadira zog ihren Ausweis hervor, hielt ihn für alle vier sichtbar über den Tisch. »Lieutenant Matéo, leitende Ermittlerin im Mordfall Julie Roscoff. Ich gehe davon aus, dass Sie Monsieur Lagadère, Monsieur Amaury und Madame Hersant die Mitbesitzer des genannten Hauses sind und mit Madame Roscoff dort vorgestern Abend gespeist haben.«
Noch ein Schuss ins Blaue.
Jetzt schwiegen sie alle.
Wer von Euch Widerlingen hat Julie gefesselt? Wer hat sie gepeitscht? Und welche Rolle spielte Hersant?
Sie winkte Brell.
»Ich deute Ihr Schweigen als ein Ja. Sergeant Brell nimmt nun Ihre weiteren Personalien auf und selbstverständlich auch gern Ihre Eindrücke von besagtem Abend.«
»Meine Güte, seien Sie doch nicht so übereifrig«, ließ sich der Dicke vernehmen.
Die blonde Frau nippte an ihrem Kaffee.
Der Hagere mit dem finsteren Steingesicht schmiss seine Serviette auf den Tisch. »Was redet die überhaupt mit uns? Haben wir denn mit ihr geredet?«
César Alexandre lehnte sich zurück, als störe ihn nicht im Geringsten, was geschah.
Inzwischen war Ugo aufgetaucht, stellte Zadira leise murmelnd die Bar und sein Büro zur Verfügung, beschwor sie mit Blicken, um Himmels willen nachzugeben und die peinliche Szene zu beenden.
Sie tat ihm den Gefallen nur ungern, wusste aber, dass für den Moment nicht mehr Spaß drin war, nicht vor Zeugen.
Sie hatte den Mächtigen auf den Spieltisch der Macht gepinkelt, und von irgendwoher würde dafür irgendwann die Quittung kommen.
»Ich sehe keine Anlass, nicht erst meinen Kaffee zu Ende zu trinken!«, teilte Lagadère dem Sergeant mit.
»Ich bitte dich«, sagte Victorine daraufhin.
»Hör bloß auf, mich zu bitten«, zischte der zurück.
All das hörte Zadira, aber sie beobachtete dabei Alexandre, der sich mit der gestärkten Serviette seinen schon sauberen Mund abtupfte, sie sorgfältig zusammenlegte und dann aufstand.
Der Sergeant machte Zadira ein Zeichen, dass sie auf ihn warten und nicht allein mit Alexandre sprechen sollte. Doch sie übersah es, war hungrig, gierig.
Vielleicht war das der Fehler.
Ugos Büro war klein, besaß aber ein Fenster zum Garten.
Der Hotelmanager stand noch einen Augenblick unschlüssig an der Tür, wusste offenbar nicht, bei wem er sich beschweren und bei wem entschuldigen sollte.
»Die Angelegenheit wird sich zur Zufriedenheit aller aufklären, mein Lieber«, beschwichtigte ihn Alexandre.
»Wohl kaum«, korrigierte Zadira.
Sie ließ César Alexandre mit einer knappen Geste den Vortritt. Er durchquerte ruhig den kleinen Raum und stellte sich entspannt mit dem Blick ins Zimmer ans Fenster. Jetzt blendete Zadira die Sonne, wenn sie César Alexandre ansah.
Geschickter Hund.
Sie sah André Ugos Wangenmuskeln arbeiten, als er die Tür hinter ihr schloss. Es war ihm sichtlich unangenehm, dass einer seiner wohlhabenden Gäste belästigt wurde – vor den Augen der anderen Gäste. Andererseits hatte er mit seiner Erlaubnis, die Wagen auf dem Hotelparkplatz zu überprüfen, den missing link zu Alexandre möglich gemacht. Er hatte offenbar nicht erwartet, dass sein Tipp zu diesen vier Herrschaften führen würde.
Zadira lehnte sich gegen die geschlossene Tür und kreuzte wie César die Arme vor der Brust. Sie hörte, wie sich Ugos Schritte entfernten.
Ein paar Sekunden lang schauten sie sich nur an.
Er brach das Schweigen als Erster.
»Was kann ich für Sie tun, Madame Lieutenant?«
»Wieso haben Sie sich nicht bei der Polizei gemeldet?«
»Ich hatte es vor.«
»Wann? Nach dem Golfspielen? Oder nach dem Aperitif?«
Kein Muskel zuckte in seinem Gesicht. Es war genauso ausdruckslos, wie Zadira es schon hundertfach, nein, tausendfach gesehen hatte. Bei Verbrechern, Mitwissern, sogar bei Zeugen, die nichts mit dem zu tun haben wollten, was sie gesehen hatten; bloß keine Schwierigkeiten. Auch Unschuldige zeigten dieses Gesicht. Aber unschuldig war dieser Mann schon lange nicht mehr.
»Wo waren Sie vorgestern Nacht zwischen zwölf und drei Uhr, Monsieur Alexandre?«
»In meinem Bett, Suite 205.«
»Und das kann wer bestätigen?«
»Ich befürchte, niemand.«
Er lächelte, als ob er beginnen würde, sich zu amüsieren.
»Und wo waren Sie
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