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Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)

Titel: Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Bagnol
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folgen.
    Er sprang!
    Aber diesmal war es nicht wie ein Sprung durch eine Tür, sondern wie der ungebremste Sturz in eine wirbelnde Tiefe. Ohne Halt, von beängstigender Geschwindigkeit.
    Verzweifelt mühte er sich, ein klares Bild in diesem Wirbel zu erfassen. Vernahm Worte, Lachen, Musik, einen Dschungel von Gefühlen: Hoffnung, Freude, Angst, Lust – Qual.
    Schließlich erkannte er Julies warmes Leuchten, weil sich alles nur um sie drehte. Ihre junge Lebendigkeit war das Zentrum. Mitten im Raum, und ihr Körper wurde berührt von unzähligen anderen Spuren. Und dann …
    Mazans Geist war wie gelähmt, als sich aus unzähligen Schatten ein Wesen formte. Es wuchs aus dem Boden, den Mauern, dem Kamin, es bäumte sich auf, es breitete seine gewaltigen Schwingen aus. Es war so riesig, dass der Raum es kaum noch fassen konnte und das Mädchen vor ihm zerbrechlich und unendlich hilflos wirkte. Julies Leuchten wurde zu einem fliehenden kleinen Punkt, wie ein winziges, davontaumelndes Insekt.
    Alles in Mazan schrie nach Flucht. Dennoch war er wie gebannt von der grausigen Macht dieses tödlichen Wesens. Es hatte nichts Menschliches, dennoch musste diese Kraft einem Menschen gehören.
    »Wer bist du?«, rief er mit einer Stimme, die außer ihm niemand hören konnte. Das zumindest glaubte er. Doch mit einem Mal flutete Mazan tödlicher Hass entgegen.
    Es hat mich entdeckt!
    In wilder Panik versuchte er, sich aus dem tiefen Strudel zu befreien, um zurück in die Gegenwart zu kommen. Schon spürte er den kühlen, gekachelten Boden unter den Pfoten und das harte Pochen seines Herzens in der Brust, als er realisierte, welche Gefahr seinen immer noch wehrlosen Körper bedrohte.
    Ich bin nicht allein!
    Es war etwas im Haus!
    Seine Reflexe ließen ihn ohne Zögern reagieren. Die Muskeln angespannt, bereit, sich bis aufs Blut zu verteidigen, hörte er, witterte er, ließ seine Sinne die Umgebung abtasten. Und entdeckte …
    »Rocky?!«
    Der große Kater saß am Abgang zur Kellertreppe und starrte ihn großäugig an.
    »Was war das denn?«, fragte er fassungslos.
    Commissaire Mazan atmete immer noch heftig.
    »Es ist …«, begann er. Wie sollte er Rocky nur erklären, was er da tat? Er wusste ja nicht einmal, warum er das konnte.
    »Ich nenne es Springen «, sagte er schließlich.
    »Ach ja«, meinte der große Kater trocken. »Für mich sah es aus wie nicht richtig kacken können.«

25
    D ie Wut schärfte ihre Sinne. Als Zadira mit dem schnaufenden Sergeant Brell die Anhöhe zum Hotel emporstieg, schien das stolze Herrenhaus arrogant auf sie hinabzuschauen. Für andere mochte das Château de Mazan eines der schönsten Vier-Sterne-Häuser der Provence sein, mit seinem Flair eines berüchtigten Adelshauses, seiner erlesen verschwenderischen Ausstattung, seiner Aura aus Stil, Macht und Geld. Doch Zadira empfand es anders. »Du musst draußen bleiben«, höhnte das Haus von seiner Anhöhe herab. »Du mit deinen Turnschuhen und mit deinen dunkelhäutigen Vorfahren kommst hier nicht rein.«
    Für Zadira war es der Satellit einer Welt, der sie misstraute. Zutiefst misstraute, wie einem Sumpf.
    »Wann wollte Commissaire Minottes Brigade hier sein?«, fragte Brell hinter ihr außer Atem.
    »Zu spät«, antwortete Zadira ungeduldig.
    Der Dienststellenleiter aus Carpentras hatte sie beschworen, besonnen und ganz nach Vorschrift vorzugehen. »Gerade bei Angehörigen des Innenministeriums! Sie dürfen denen keinen Anlass geben, sich über uns zu beschweren.«
    Sicher, da hatte Minotte absolut recht. Oft genug wurde der französischen Polizei vorgeworfen, ihren Amtspflichten mit Selbstherrlichkeit und Willkür nachzugehen, geil darauf, mit der Angst der Unterlegenen zu spielen.
    Aber Zadira Matéo hatte Lust, sich dennoch so zu benehmen, dass diese Herrschaften sich unbedingt beschweren wollten. Sie wollte César Alexandre an die Wand nageln, wollte, dass ihm das Château de Mazan als jener Ort verleidet wurde, an dem er vor den Augen von seinesgleichen von einer Frau mit fremdartigen Gesichtszügen gedemütigt worden war. Sie wollte es der feinen Gesellschaft besorgen.
    In dieser Stimmung nahm Zadira zügig die Treppe zum Foyer. Pauls Blick flackerte, als er erst sie, dann Sergeant Brell in seiner Uniform wahrnahm. Sie sah sein Begreifen, dass es dieses Mal nicht nur um ein paar Nachfragen ging. Und wieder hatte Zadira das Gefühl, dass Paul hinter seiner betont undurchdringlichen Miene mehr verbarg. Ich darf ihn nicht aus den Augen verlieren,

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