Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
hektisch an einer Zigarette. »Ich glaub das nicht«, wiederholte der Küchenchef immer wieder laut. »Das glaub ich einfach nicht! Wie kann das sein, dass der Junge jetzt der Täter sein soll?«, rief er Zadira wütend zu, als sei sie an dem Haftbefehl schuld und nicht Stéphane Minotte. Sie ahnte, dass halb Mazan ihr Dédés Festnahme ankreiden würde. Ihr, nicht Minotte, der den blassen Jungen nun abführte.
»Ich hab ihr doch nie etwas getan«, flüsterte Horloge Zadira zu, als sie zu dritt die Küche verließen.
Sie glaubte auch nicht eine Sekunde, dass Dédé den Mord begangen hatte. Aber das konnte sie nicht sagen. Nicht vor der Brigade, die sich jetzt aufmerksamkeitsheischend vor dem Hoteleingang postiert hatte. Elf Beamte und vier Wagen für einen Koch-Azubi, das ist doch lächerlich, dachte Zadira. Es kam ihr vor wie eine Inszenierung.
Wie benommen lauschte sie Minottes Ausführungen, die an drei Journalisten mit Fotoapparat gerichtet waren – wo hatte er denn die nur so schnell hergezaubert? –, nachdem er Dédé in aufreizender Langsamkeit auf den Rücksitz des Transporters bugsiert hatte.
Zusammen mit Staatsanwältin Lafrage und der Untersuchungsrichterin Magalie Bayral hatte Minotte also Dédés vorläufige Festnahme beschlossen.
»Aber wieso?«, fragte Zadira ihren Vorgesetzten, nachdem die Journalisten wieder abgezogen waren.
»Nun, die Kollegen haben in Dédés Kammer, die er auf dem Lucky-Horse-Reiterhof bewohnt, heute früh bei einer Ad-hoc-Durchsuchung einen zerrissenen Slip gefunden, der vermutlich Julie gehört. Mit frischen Spermaspuren. Vermutlich von Dédé.«
»Das sind reichlich viele Vermutungen, Commissaire Minotte. Aufgrund welcher Verdachtsmomente wurde die Durchsuchung überhaupt genehmigt?«
»Vermutungen? Doch wohl weit weniger als in Ihrer Mordtheorie. Außerdem haben Sie Monsieur Alexandre vor allen Gästen düpiert. Sie haben mit Ihren Alleingängen nie Erfolg, ist Ihnen das schon mal aufgefallen, Matéo? Seien Sie wenigstens so gut, und halten Sie von dem peinlichen Auftritt so wenig wie möglich schriftlich fest.«
Sie konnte es nicht fassen. Polizeiliche Vorgänge totzuschweigen, das war Bac-Masche, vor allem wenn diese aufgrund unnötiger Polizeigewalt schiefgegangen waren.
Minotte fuhr fort, er habe der Untersuchungsrichterin Bayral ausreichend nachvollziehbar erklärt, dass Dédé Julie den Slip wohl nach dem Mord abgenommen haben musste.
Zadira warf der jungen Richterin einen Blick zu. Die errötete. Zadira begriff.
Sie schlafen miteinander, dachte sie. Von wegen: ausreichend nachvollziehbar.
»Aber vielleicht hat er ihn auch, wenn überhaupt, schon viel früher geklaut und damit onaniert«, wandte sie ein.
»Wenn überhaupt? Was erlauben Sie sich! Ach, hören Sie doch auf, Matéo, immerzu die Fakten zu verdrehen«, winkte Minotte ärgerlich ab. »Der Oberkellner Gustave hat außerdem zu Protokoll gegeben, dass der Junge Julie öfter mit irren Plüschaugen nachgeschlichen ist und am Mordabend vor der Badezimmertür des Personals gebrüllt hat: ›Du gehörst mir, niemand darf dich haben.‹«
»Der Oberkellner hat sich ebenfalls für Julie interessiert und ist von ihr mehrfach abgewiesen worden. Der kann Ihnen viel erzählen.«
»Und Julies Kratzspuren in Horloges Gesicht? Welche Erklärung haben Sie denn dafür, Lieutenant?«
Sie schwieg. Jetzt würden die Brigadiers Teekannentülle und Salaminacken Dédé Horloge durch den Fleischwolf drehen, um ihm ein Geständnis abzuringen.
»Und die Kette, mit der Julie erdrosselt wurde?«
Hatte sie denn so falschgelegen? Sich so sehr von ihrer Wut auf die feine Gesellschaft leiten lassen?
»Die Kette? Die hat der kleine Scheißer sicher gut versteckt, um sie später noch verhökern zu können, wenn sie tatsächlich so wertvoll ist, wie Sie und Dr. Hervé behaupten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis wir die finden.«
Zadira hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können. Angewidert wandte sie sich zum Gehen.
Es zog sie zurück in die Küche, in der sie mit einem Mal ganz dicht vor Frédéric, dem Chefkoch stand. Seine Augen hatten nichts Freundliches mehr. Und die Hand, mit der er eines der schlanken, blanken Küchenmesser hielt, war verkrampft. In seinen Augen lag Hass.
26
W arum hatte er nur die Kette mitgenommen? Mattia wusste es nicht. Es machte ihn ganz verrückt, dass er es nicht wusste.
War es wegen der Spuren?
Nein, er hatte aufgepasst und Handschuhe getragen.
Hat der Engel es befohlen?
Auch das
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