Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
aber … vielleicht hätte sie ja trotzdem Glück und die Forensikerin hatte etwas über mögliche Drogen herausgefunden.
Hatte sie nicht.
»Ich bin noch nicht fertig, Lieutenant«, sagte Dr. Hervé. »Das immunologische Screening steht noch aus.«
»Na gut. Hatten Sie eigentlich den Slip von Julie unter dem Mikroskop?«
»Nein. Das war einer der Jungs aus dem Institut, ein neuer, ehrgeiziger Kriminalbiologe aus Apt.«
»Und?«
»Was wollen Sie hören?«
Sie wusste es nicht. Am liebsten, dass der junge Kollege dafür bekannt war, sich zu täuschen.
»Er hat mir stolz in der Kantine erzählt, dass Ihr Kollege Minotte ihm bei den Untersuchungen praktisch auf dem Schoß gesessen hätte. Ich habe darauf verzichtet, ihm einen Vortrag über die Gefahr der gefolgerten Annahme zu halten und ihm zu sagen, dass ein Spermium im Schlüpfer eines Mordopfers noch lange keinen Sexualmord macht.«
»Vielleicht sollten Sie diese Art von Vorträgen öfter halten.«
»Vielleicht. Aber käme die Polizei dann noch auf ihre Quote? Sie wissen doch, jedes Jahr müssen Sie noch mehr Verbrechen aufklären als im vorangegangenen, sonst lohnt sich der Etat für uns teure Rechtsmediziner nicht mehr.«
Sie schwiegen.
»Manchmal gehen tatsächlich Unschuldige in den Knast«, sagte Zadira nach einer Weile schließlich matt. »Nur wegen der Zahlen.«
»Ich weiß. Ich melde mich, Lieutenant.«
Zadiras Nacken, ihre Schultern verspannten sich mehr und mehr. Sie musste raus.
Sie lief im Schatten der Hauswände zu der romanischen Kirche, die Mazan überragte. Immer wieder passierte Zadira Überreste einer Stadtmauer, die sich an die Häuser zu lehnen schien, und hölzerne Tore, die wie Zeitreise-Portale wirkten. Auf dem Mäuerchen der Kapelle der Büßer sah sie eine weiße Siamkatze mit dunklem Gesicht, die ihr träge blinzelnd nachsah. Ein dicker, grauer Kater wälzte sich auf einem von der Sonne beschienenen Fleck.
Als sie die hohe, schwere Tür der Pfarrkirche aufschob, bemerkte sie, wie die beiden Tiere gemächlich über den Platz spazierten und sich im Schatten der Platane niederließen.
Dann tauchte Zadira in die dunkle Frische des Gebetsraums ein. Die Stille war dick wie eisgekühlte Watte. Die Kühle trocknete den Schweiß in ihrem Nacken. Es fiel nur wenig Tageslicht durch das große Rosettenfenster ins Innere der Kirche.
Sie ließ sich dankbar auf eine Holzbank gleiten und legte Unterarme und Stirn auf die Rückenlehne der Bank vor sich.
Ihre Wut milderte sich, je länger sie im Zwielicht verharrte.
Die Zeit vergeht in Kirchen gelassener, dachte Zadira und schloss die Augen.
Dekonstruktion. Rekonstruktion. Fangen wir noch mal ganz von vorn an.
Als Erstes: Sobald jemand tot ist, hinterlässt er im Leben derjenigen, denen er etwas bedeutet hat, einen leeren Platz. Da ist ein Loch. Wohin jetzt mit all der Liebe? All der Wut? All der Hoffnung? Wer wird den frei gewordenen Platz einnehmen, als Lückenfüller in diese Leere springen?
Wir sind vielleicht alle Platzhalter für einen Toten. Ich für meine Mutter. Gaspard für meinen Vater. Und Julie?
Ja, was machte der Mörder ohne Julie? War ihre Aufgabe jetzt erfüllt? Oder würde er einen Ersatz für das suchen, was sie für ihn verkörpert hatte?
Zadiras Gedanken kreisten immer langsamer, kamen zur Ruhe.
Ich habe mich in meiner Wut verlaufen.
Als sie freier atmen konnte, ging sie die Begegnung mit César Alexandre durch, bis zu Minottes Auftritt und seiner rettenden Intervention. Ja, genauso kam es ihr in der Rückschau vor: Junker Minotte reitet dem Comte Alexandre zu Hilfe und liefert ihm den Kopf des Kochs.
Die beiden kennen sich, ich bin mir sicher. Und verstecken es. Woher? Geheimdienst? Dieselbe Untersuchungsrichterin verführt? Aber wie auch immer: Kann ich Minotte etwas beweisen? Nein.
Und das mit Dédé: Ein Slip, Spermaspuren, Kratzer im Gesicht, das war doch alles wie bestellt. Im Schach wäre Dédé das Bauernopfer. Um jemand anders zu schützen. Die Dame, den König?
»Verdammt, verdammt, verdammt.«
Zadira wandte sich um, ob der curé sie zufällig in seiner Kirche hatte fluchen hören. Aber sie war nach wie vor allein.
Bis auf die blondierte Reporterin von vorhin, die gerade auf hohen, lauten Pfennigabsätzen durch die schwere Tür trat und sich seufzend und umständlich auf eine Bank hinter Zadira setzte. Dabei rutschte ihr kurzer Jeansrock noch etwas höher.
Zadira ahnte, wer sie war.
»Puh, heiß draußen, was?«, fragte die Frau mit rauchiger
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