Commissaire Mazan und die Erben des Marquis: Kriminalroman (Knaur HC) (German Edition)
dauernd gezeichnet. Für uns war er verdorben. Natürlich dachten wir alle, sie hätte einen Geliebten oder zwei unter den drei Männern gefunden. Leidenschaft ist das beste Make-up. Man sieht nie besser aus, als wenn man voll befriedigt ist.«
Zadira entglitt ein Seufzen. Für einen Lidschlag dachte sie an den Sänger, neulich. Ob seine Nummer wohl noch am Badspiegel stand? Sie sollte sie wegwischen.
»Und wie waren die vier mit Ende zwanzig?«, fragte sie. Ihre innere Anspannung wuchs. Hier war er, der Hinweis zu einer Leerstelle, in der zwanzig Jahre später möglicherweise Julie einen Platz eingenommen hatte. Gezwungenermaßen. Oder weil dieser Platz ständig neu mit jungen Frauen besetzt wurde?
»Ob Sie es glauben oder nicht – Philippe Amaury hat wie ein Sonnyboy ausgesehen, und Alexis hatte etwas Melancholisches, Gefährliches an sich, was junge Mädchen sehr anziehend finden. César war der Sehnsuchtsmann von Lacoste, Bonnieux und Goult zusammen. Wie er ging, und erst seine Blicke … es war schwierig, ihn nicht attraktiv zu finden. Und Victorine Hersant war die Inkarnation einer smarten Pariserin. Dünn, schick, selbstbewusst, als ob ihr kein Mann in diesem Leben irgendetwas vormachen könnte.«
Auf einmal wurden Blandines Gesichtszüge hart.
»Élaine hat nur ein, zwei Mal Andeutungen gemacht, was in der Villa passierte. Sie sprach davon, dass es weh tat, aus der Raupe zum Schmetterling zu werden. Sie sagte, dass sie erweckt wurde. Und dass sie eine ›gute Erziehung‹ bekäme, die es ihr ermöglichen würde, sich all ihre Wünsche zu erfüllen.«
Blandine kippte den Rest Pastis auf ex.
»Doch eines Morgens, nachdem sie in der Villa übernachtet hatte, soll sie in einem schwarzen, teuren, seidenen Nachthemd durch das Dorf gegangen sein. Sie kletterte barfuß auf den verfallenen Turm der Burg und sprang. Sie trug keinen Slip.« Blandine schnaubte. »Und das soll der Selbstmord gewesen sein.«
»An den Sie nie geglaubt haben.«
»Nein. Welche Frau geht schon ohne Slip zum Umbringen? Aber mal davon abgesehen: Ich glaubte, dass diese vier sie umgebracht haben. Aber niemand hat sie sich damals sonderlich vorgenommen. Es gab dafür keinen Grund, hieß es offiziell. Weil es hier in der Gegend viele Selbstmorde von depressiven Jugendlichen gäbe. Das stimmte zwar, aber trotzdem wusste niemand, was wirklich geschehen war. Und Élaine hatte Mut, wissen Sie, die sprang nicht einfach vom Turm, weil ihr jemand das Herz gebrochen oder ihren Körper missbraucht hatte. Die duschte und machte weiter.«
Die dritte Zigarette. Etwas berührt diese Blandine noch mehr als Élaines Tod, dachte Zadira. Ob die Reporterin noch darauf zu sprechen käme? Auf das, was sie wirklich antrieb?
»Es gab keinen Abschiedsbrief, keine Beichte, keine Freundin, die mehr wusste – nichts. Ich habe diesen vier elitären Sprösslingen damals dermaßen hinterhergeschnüffelt, dass César Alexandre eines Tages seine Beziehungen spielen ließ. Gefallen, Bestechung, Bedrohung.«
Zadira lachte hart auf. Ja, das waren die übliche Wege von Geheimdienstlern, »Beziehungen« aufzubauen und zu nutzen.
»Wenig später hatte ich keinen Job mehr bei Le Provençal und einen schlechten Ruf, der mich als Ehefrau für anständige Männer untragbar machte. Immerhin waren das die besten Voraussetzungen, um als Jauchetaucherin bei Le Dauphiné anzufangen und mir die Liebhaber zu nehmen, wie sie kamen.«
Blandine streckte sich und rückte mit einer abwesenden Geste ihre Brüste zurecht.
»Heute sind diese vier ein angesehener Strafrichter, ein Notar im Élysée-Palast, der dem jetzigen Präsidenten ein Sicherheitskonzept für die Pariser Banlieues ausgearbeitet hat, eine Bürgermeistergattin und Anteilseignerin eines Modehauses sowie ein hoher Beamter im Innenministerium, der vermutlich eine geheimdienstliche Abteilung leitet, die sich vor allem um die Geheimnisse der Mächtigen kümmert.«
»Glauben Sie, dass die vier auch etwas mit den Morden an den anderen Frauen zu tun haben? Sie gehen doch von ein und demselben Täter aus, oder nicht?«, fragte Zadira.
Blandine atmete tief ein.
»Ich bin mir nicht mehr ganz sicher«, sagte sie dann, »wie das alles zusammenpasst. Wissen Sie, ich bin jetzt seit bald fünfundzwanzig Jahren Polizeireporterin im Vaucluse. Ich kenne mehr Fälle als die meisten Bullen, weil die zwar Dutzende Akten gleichzeitig bearbeiten, aber eben nur die ihres jeweiligen Reviers. Und als das mit den Frauen losging, da hatte ich
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